Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei versäumter Berufungsbegründungsfrist. RA-Verschulden. Zur erforderlichen Sorgfalt eines Rechtsanwaltes bei der Fristenkontrolle und Wahrung der Berufungsbegründungsfrist. Kündigung
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 08.02.1995; Aktenzeichen 4 Ca 2096/94) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 08.02.1995 – 4 Ca 2032/94 – wird, soweit das Urteil die Klägerin … (– 4 Ca 2096/94 Arbeitsgericht Mainz –) betrifft, unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
II. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die am 09.05.1968 geborene Klägerin ist seit dem 07.08.1990 als Arbeitnehmerin im Betrieb der Gemeinschuldnerin beschäftigt gewesen. Der Beklagte war zunächst vorläufiger Vergleichsverwalter und Sequester und wurde mit Wirkung ab dem 30.06.1994, dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, zu deren Konkursverwalter bestellt. Mit dem Schreiben vom 23.06.1994 (Bl. 60 ff d.A.) unterrichteten der Geschäftsführer … der Gemeinschuldnerin und der Beklagte – dieser als vorläufiger Vergleichsverwalter/Sequester den Betriebsrat über beabsichtigte „arbeitsrechtliche Maßnahmen/hier: Massenentlassung gemäß §§ 1, 17, 18 KSchG wegen Betriebsstillegung”; auf den Inhalt dieses Schreibens wird Bezug genommen. Soweit es um den Zugang des Schreibens vom 23.06.1994 geht, behauptet der Beklagte, daß das Schreiben dem Betriebsrat am 23.06.1994 gegen 16.00 Uhr zugegangen sei; demgegenüber behauptet die Klägerin – unter Bezugnahme auf den schriftlichen Eingangsvermerk des BR-Vorsitzenden (– auf S. 4 des Schreibens vom 23.06.1994 = Bl. 10 d.A.) den 24.06.1994 als Zugangs Zeitpunkt. Unstreitig ist, daß sich der Betriebsratsvorsitzende … zu dem – vom Beklagten – genannten Zeitpunkt (23.06.1994 gegen 16.00 Uhr) nicht mehr im Betrieb aufhielt, weil er diesen bereits um 15.00 Uhr verlassen hatte.
Am 27.06.1994 wurde dem Betriebsrat die aus Bl. 24 d.A. ersichtliche Liste zur Verfügung gestellt: „Arbeitnehmer gewerblich/und Angestellte ohne Freistellung für den Monat Juli 1994 …”. Bereits am 06.06.1994 hatte der Betriebsratsvorsitzende die aus Blatt 67 ff d.A. ersichtlichen Personallisten „Angestellte” und „gewerbliche Mitarbeiter” erhalten, die u.a. Angaben über Geburts- und Betriebszugehörigkeitsdaten enthalten
Mit den beiden Schreiben vom 30.06.1994 (Bl. 70 ff d.A.) wandte sich der Beklagten wegen der „Kündigung der Arbeitsverhältnisse” und der „Anzeige von Entlassungen gemäß § 17 KSchG” an das Arbeitsamt Mainz. Wegen der „Mitteilung des Arbeitgebers gemäß § 8 AFG” wandte sich der Beklagte – ebenfalls mit Schreiben vom 30.06.1994 (Bl. 74 ff d.A.) – an das Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz/Saarland. Am 01.07.1994, ab 11.00 Uhr, fand eine Betriebsversammlung der Belegschaft der Gemeinschuldnerin statt. Den Vorsitz der Versammlung führte der Betriebsratsvorsitzende … Während der Versammlung ergriffen der Betriebsratsvorsitzende, der Beklagte sowie Vertreter der IG-Metall und des Arbeitsamtes das Wort. Gegen Ende der Betriebsversammlung, etwa um 12.30 Uhr, händigte der Beklagte den Arbeitnehmern die bereits vorbereiteten Kündigungsschreiben aus. Der Klägerin wurde zum 31.07.1994 gekündigt; im Kündigungsschreiben heißt es u.a.:
„Der Betriebsrat wurde in dieser Angelegenheit angehört und hat keine Stellungnahme abgegeben” (s. S. 2 des Kündigungsschreibens, Bl. 5 f d.A.).
Den insgesamt 94 Arbeitnehmern der Gemeinschuldnerin wurde im einzelnen wie folgt gekündigt:
- 8 Arbeitnehmern zum 15.07.1994,
- 23 Arbeitnehmern zum 31.07.1994,
- 1 Arbeitnehmer zum 31.08.1994,
- 24 Arbeitnehmern zum 30.09.1994,
- 1 Arbeitnehmer zum 30.11.1994 und
- 37 Arbeitnehmern zum 31.12.1994.
In dem Bescheid des Arbeitsamtes Mainz vom 05.08.1994 (Bl. 77 f d.A.) heißt es u.a.:
„… Ihre Anzeige ist am 08.07.94 beim Arbeitsamt Mainz eingegangen. Die Anzeige kann jedoch erst ab dem 25.07.1994 als wirksam erstattet angesehen werden …
…
2. Für die zum 31.07.1994 vorgesehenen Entlassungen von 23 Arbeitnehmern kann nach Abwägung des öffentlichen Interesses der zu entlassenden Arbeitnehmer als auch das des Arbeitgebers und unter Beachtung der Lage des gesamten Arbeitsmarktes dem Antrag auf Abkürzung der gesetzlichen Sperrfrist gem. § 18 Abs. 1 KSchG nicht entsprochen werden, da der Firma zuzumuten war, die Anzeige rechtzeitig zu erstatten. Eine Verlängerung der gesetzlichen Sperrfrist gem. § 18 Abs. 2 KSchG wird nicht in Betracht gezogen …”.
Im August 1994 vereinbarte der Beklagte mit dem Betriebsrat den aus Blatt 56 ff d.A. ersichtlichen Sozialplan.
Am 21.07.1994 reichte die Klägerin die vorliegende Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht Mainz ein.
Zwecks näherer Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Klageschrift und den Schriftsatz der Klägerin vom 23.11.1994 (Bl. 32 f d.A.) sowie auf ...