Entscheidungsstichwort (Thema)

Anpassung. Betriebsrente. Anpassung von Betriebsrente

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 16 Abs. 4 BetrAVG ist bei der Ermittlung des Anpassungsbedarfs nicht nur auf den Drei-Jahres-Zeitraum vor dem Prüfungsstichtag abzustellen, sondern auf den Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum jeweiligen Stichtag.

 

Normenkette

BetrAVG § 16 Abs. 1, 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 08.06.2010; Aktenzeichen 9 Ca 2476/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 8.6.2010 – 9 Ca 2476/09 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Umfang einer betriebsrentenrechtlichen Anpassungsentscheidung des Versorgungschuldners.

Der Kläger war langjährig als Angestellter in der Niederlassung bei der Beklagten in M beschäftigt. Seit dem 01. Januar 1993 bezieht er eine Betriebsrente, die laufend im Abstand von jeweils 3 Jahren angepasst wurde. Den Maßstab für die Anpassung wechselte die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach. Ursprünglich legte sie den Index für die Lebenshaltung von 4 – Personen – Arbeitnehmer – Haushalten zugrunde, dann die Entwicklung der Nettolöhne für vergleichbare Arbeitnehmergruppen und schließlich eine Anpassung nach der Steigerung der Lebenshaltungskosten.

Im Jahre 2008 ging die Beklagte von der Veränderung der Nettolöhne aktiver Arbeitnehmer aus und passte die Betriebsrente des Klägers zuletzt um 1,57 % an. Bei dieser Entscheidung legte die Beklagte nur die Nettolohnentwicklung der aus ihrer Sicht vergleichbaren Arbeitnehmergruppe für die Zeit von Ende 2004 bis Ende 2007 zugrunde.

Seit dem 01. Juli 2008 zahlte die Beklagte an den Kläger eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 2.011,49 EUR.

Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. die Auffassung vertreten,

die Anpassung vom 01. Juli 2008 entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen. Nach der von der Beklagten angewandten Berechnung nach einer gespaltenen Preissteigerungsrate – bis einschließlich Dezember 2001: Index „4-Personen-Arbeitnehmer-Haushalt mit mittlerem Einkommen” –, ab Januar 2002: Verbraucherpreisindex (VIP) ergäben sich bei einer Gesamtbetrachtung der Entwicklung der Teuerungsrate ab seinem Rentenbezug bis zum Anpassungsstichtag monatlich 236,16 EUR. Bei der Betrachtung der Teuerungsrate sei nicht lediglich auf die letzten 3 Jahre, sondern auf den Zeitraum seit Rentenbeginn abzustellen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Zeit vom 01. Juli 2008 bis 31. März 2010 rückständige Betriebsrente von 4.906,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 233,65 EUR seit dem 01. August 2008 und aus jeweils weiteren 233,65 EUR seit dem jeweils Ersten des Folgemonats zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab 01. April 2010 monatlich eine Betriebsrente von 2.245,14 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich

Klageabweisung

beantragt und erwidert,

sie sei nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG nicht verpflichtet, den Versorgungsempfängern den vollen Teuerungsausgleich ab Rentenbezug zu gewähren. Eine Anpassungsentscheidung widerspräche der Billigkeit bereits dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrenten nur bis zur durchschnittlichen Steigerungsrate vergleichbarer aktiver Arbeitnehmergruppen anpasse. Hier bestünde ein weiter Beurteilungsspielraum. Zur Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze habe sie auf den gewählten Referenzzeitraum von Ende 2004 bis Ende 2007 abstellen dürfen. Die Berücksichtigung eines Referenzzeitraumes ab Rentenbeginn begegne praktischen Schwierigkeiten, da jedenfalls bei langjährigen Betriebsrenten entsprechende Unterlagen zur Ermittlung der Lohnsteigerungen nicht mehr vorhanden seien.

Zu den weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 8. Juni 2010 – 1 Ca 2476/09 – (Seite 2 – 3 = Bl. 46 – 47 d. A.) nebst den vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte im vorerwähnten Urteil zur Nachzahlung von Betriebsrente in Höhe von 4.906,65 EUR und künftigen Leistungen in Höhe von monatlich 2.245,14 EUR verurteilt.

Der Anspruch auf Zahlung der Differenzbeträge folge aus § 16 Abs. 1 BetrAVG. Vorliegend seien maßgeblich die Belange des Klägers als Versorgungsempfängers, die durch die Teuerungsrate bzw. die reallohnbezogene Obergrenze bestimmt würden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 16 BetrAVG a. F. käme es für beide Größen auf die Entwicklung vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag an (BAG Urteil vom 30.08.2005 – 3 AZR 395/04). Sinn und Zweck des BetrAVG sei es, eine Auszehrung der Betriebsrenten zu vermeiden. Dies gelte auch für die Anpassung nach der Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen. Wechsele der Arbeitgeber die Prüfungsmaßstäbe, würde eine einmal zu Lasten des Versorgungsempfängers eingetretene Verlustdifferenz fortbestehen; dies würde das ursp...

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