Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestlohnanspruch eines Taxifahrers unter Berücksichtigung von Arbeitsbereitschaft und Pausenzeiten
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Mindestlohnanspruch gemäß § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 mit §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG).
2. Vergütungspflichtige Arbeit ist nicht nur die Vollarbeit, sondern auch die Arbeitsbereitschaft. Der Arbeitnehmer kann während des Bereitschaftsdienstes nicht frei über die Nutzung dieses Zeitraumes bestimmen, sondern muss sich an einem von der Arbeitgeberin bestimmten Ort bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen.
3. Mangels Arbeitsleistung besteht keine Vergütungspflicht für Pausen und damit für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten noch sich dafür bereitzuhalten braucht, sondern freie Verfügung darüber hat, wo und wie er diese Ruhezeit verbringen will. Eine Vergütungspflicht entsteht für Zeiten rechtmäßig angeordneter Pausen auch nicht dadurch, dass der Arbeitnehmer während der Pausen arbeitet.
4. Im Umfang rechtlich wirksam angeordneter gesetzlicher Mindestpausen ist der Arbeitnehmer in diesen Zeiträumen schon aus Rechtsgründen nicht leistungsfähig (§ 297 BGB), da § 4 Satz 1 ArbZG die Arbeitgeberin verpflichtet, die Arbeit mindestens in dem vorgeschriebenen Umfang zu unterbrechen.
5. Die Schlüssigkeit einer Klagebegründung zur Geltendmachung eines Differenzvergütungsanspruchs nach dem Mindestlohngesetz setzt grundsätzlich die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden voraus.
6. Richtet sich der konkrete Arbeitseinsatz eines Taxifahrers nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung unter anderem nach der jeweiligen Schichteinteilung, kann der Arbeitnehmer aufgrund der Tatsache, dass bei einem Taxifahrer in nicht unerheblichem Umfang Stillstandszeiten anfallen können, während derer er auf Fahrgäste oder eine Disposition zu warten hat, davon ausgehen, dass er auch in Stillstandszeiten Arbeitsbereitschaft zu leisten hat.
7. § 4 ArbZG begründet die Verpflichtung der Arbeitgeberin, die erforderlichen Ruhepausen zu gewähren, so dass die Arbeitgeberin durch entsprechende Regelungen oder Anordnungen die Voraussetzungen dafür zu schaffen hat, dass die Beschäftigten die ihnen nach dem Arbeitszeitgesetz zustehenden Ruhepausen auch tatsächlich nehmen können. Erforderlich ist insoweit grundsätzlich ein Organisationsakt der Arbeitgeberin.
8. Der Umstand, dass die äußeren Bedingungen der jeweiligen Arbeit eine Regelung ermöglichen, die eine flexible Festlegung der arbeitstäglichen Ruhezeiten durch den Arbeitnehmer selbst zulassen, ersetzt nicht die aufgrund des Direktionsrechts zu treffende Regelung selbst.
Normenkette
ArbZG § 2 Abs. 1, § 4; MiLoG § 1 Abs. 1-2, § 20; BGB § 297; ArbZG § 4 S. 1; GewO § 106 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 08.06.2017; Aktenzeichen 5 Ca 981/16) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 08.06.2017 teilweise abgeändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.270,94 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.11.2017 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 62 % und die Beklagte zu 38 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob dem Kläger für den Zeitraum März 2015 bis einschließlich September 2016 ein Nachvergütungsanspruch in Höhe von arbeitstäglich 6,38 EUR brutto nebst Zinsen zusteht.
Der Kläger war bei der Fa. T. H. GmbH als Taxifahrer beschäftigt. Die Beklagte erwarb den Betrieb der genannten Firma mit Wirkung ab dem 1. Juli 2014 im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Fa. T. H. GmbH. Seitdem ist der Kläger bei der Beklagten als Taxifahrer beschäftigt. Unter dem 18.9.2014 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 64 ff. d.A.). Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:
"5. Arbeitszeit
Es gilt eine regelmäßige Wochen-/Monatsarbeitszeit von 40 Stunden als vereinbart.
Der konkrete Arbeitseinsatz richtet sich nach der individuellen Einteilung des Arbeitgebers, nach der jeweiligen Auftragslage sowie nach der jeweiligen Schichteinteilung.
Der Mitarbeiter verpflichtet sich im Rahmen der regelmäßigen Monatsarbeitszeit zur Leistung von Schichtarbeit, Nachtarbeit, Samstags-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie bei entsprechender Anordnung des Arbeitgebers/des Vorgesetzten oder dringenden betrieblichen Gründen auch zur Mehrarbeit. Hierbei darf allerdings die wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden nicht überschritten werden.
7. Arbeitsentgelt
Der pauschale Stundenlohn beträgt 8,50 EUR brutto.
Bei Zahlung eines pauschalen ...