Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsklage Vorfragen. Rechtsmissbräuchlichkeit Abmahnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Vorfragen oder lediglich Teilelemente des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses können nicht durch eine Feststellungsklage überprüft werden.

2. Die Abmahnung ist zu entfernen, wenn der Arbeitgeber kein schutzwürdiges Interesse mehr am Verbleib in der Personalakte hat.

3. Die Abmahnung kann nach § 134 BGB nichtig sein, wenn sie gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstößt, so z.B. bei bewusster unzulässiger Rechtsausübung.

 

Normenkette

BGB § 1004 Abs. 1, §§ 242, 612a, 134

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 17.05.2018; Aktenzeichen 1 Ca 1831/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 17. Mai 2018, Az. 1 Ca 1831/17, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit, hilfsweise Verbindlichkeit von Arbeitgeberweisungen und die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.

Die 1979 geborene, ledige Klägerin ist seit dem 23.07.2007 bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 30,5 Stunden in der Tätigkeitsebene V in Teilzeit angestellt. Aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der C. (TV-BA) Anwendung. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt € 2.398,19. Die Klägerin wohnt in Ludwigshafen und erzieht ihren im Januar 2011 geborenen Sohn allein; sie war vom 28.05.2011 bis 27.05.2013 in Elternzeit. Die Klägerin ist mit einem GdB von 30 behindert. Mit Bescheid vom 15.12.2016 wurde sie gem. § 2 Abs. 3 SGB IX mit Wirkung ab 27.07.2016 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Die Klägerin fehlte aus krankheitsbedingten Gründen wie folgt:

Jahr

Arbeitstage

2013

76

ab 28.05.2013

2014

152

2015

107

2016

251

2017

144

bis 28.07.2017

Nachdem bei der Klägerin eine Allergie gegen Teppichböden, Pflanzen und Gardinen (konkret Hausstaubmilben, Bl. 83 der Beiakte 1 Ga 23/15) festgestellt worden ist, empfahl der Betriebsarzt einen Arbeitsplatz ohne diese Allergieauslöser. Im Dienstgebäude Ludwigshafen, in dem die Klägerin eingesetzt war, sind sämtliche Büroräume mit Teppichboden ausgelegt. Da im Dienstgebäude in Speyer kein Teppichboden verlegt ist, wies die Beklagte der Klägerin ab 05.10.2015 einen Arbeitsplatz am Dienstort Speyer zu. Gegen diese Versetzung wandte sich die Klägerin mit Antrag vom 16.10.2015 zunächst in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 1 Ga 23/15. In diesem Verfahren schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht am 29.10.2015 folgenden

"Vergleich:

1. Die Verfügungsklägerin wird ab sofort bis auf Weiteres im J. [...] in Speyer eingesetzt.

2. Die Verfügungsbeklagte stellt der Klägerin in Speyer einen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung. Das der Klägerin zuzuweisende Arbeitszimmer enthält keinen Teppichboden, keine Vorhänge oder Gardinen und keine Pflanzen.

3. Die Verfügungsklägerin sichert zu, im Rahmen eines spätestens 05.11.2015 anzustrengenden Hauptsacheverfahrens die Rechtswirksamkeit der streitgegenständlichen Maßnahme überprüfen zu lassen."

Bereits seit dem 12.10.2015 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben. Sie bezog bis zum 09.04.2017 (Aussteuerung) Krankengeld. Im Hauptsacheverfahren, das die Klägerin am 04.11.2015 eingeleitet hatte, hat das Arbeitsgericht die Klage auf Feststellung, dass die Weisung der Beklagten die Arbeit am Dienstort in Speyer zu erbringen, unwirksam ist, mit Urteil vom 14.04.2016 (1 Ca 1823/15) abgewiesen; das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Klägerin mit rechtskräftigem Urteil vom 10.05.2017 (4 Sa 444/16) zurückgewiesen.

Kurz vor ihrer Aussteuerung hat die Klägerin mit der Behauptung, sie sei voraussichtlich ab 10.04.2017 wieder arbeitsfähig, bei der Beklagten vergeblich ab dem 10.04.2017 die Bewilligung des Erholungsurlaubs aus den Jahren 2015 und 2016 beantragt. Am 12.07.2017 hat sie beim Arbeitsgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Gewährung von 30 Tagen Erholungsurlaub aus dem Jahr 2016 für die Zeit ab 18.04.2017 beantragt. Sie hat in erster Instanz vorgetragen, dass sie noch bis 13.04.2017 (Gründonnerstag) krankgeschrieben sei. Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 13.04.2017 (4 Ga 4/17) ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 04.05.2017 (2 Ta 91/17) zurückgewiesen. Zweitinstanzlich hat die Klägerin Urlaubsgewährung ab dem 02.05.2017 beantragt, weil sie über den 18.04.2017 hinaus krankgeschrieben war. Mit Schriftsatz vom 03.05.2017 hat sie ausgeführt, dass sie noch eine weitere Woche krankgeschrieben sei.

Die Beklagte beantragte am 23.02.2017 beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin. Im Zustimmungsverfahren fand am 20.06.2017 ein Erör...

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