Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Berufungsantrag zwingend erforderlich bei Einreichung der Berufungsbegründung mit eindeutigem Berufungsbegehren. Das arbeitsvertragliche Maßregelungsverbot nach § 612a BGB. Verstoß gegen das Maßregelungsverbot durch Kündigung als Reaktion auf eine zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers. Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers für das Vorliegen einer Maßregelung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der Rechtsprechung reicht es aus, dass die Berufungsbegründung im Ganzen das Berufungsbegehren eindeutig erkennen lässt. Dies erfordert nach dem Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag in der Berufungsbegründung.
2. Ist eine Kündigung das wesentliche Motiv einer benachteiligenden Maßnahme zu Lasten des Arbeitnehmers, unterfällt sie dem Maßregelungsverbot des § 612a BGB.
3. Verfolgt der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte aus dem Arbeitsverhältnis und resultiert sodann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus dieser zulässigen Rechtsausübung, unterfällt die Kündigung dem Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Dies gilt selbst dann, wenn ein anderer Kündigungsgrund gegeben war.
4. Für das Vorliegen einer Maßregelung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Eine Beweiserleichterung durch Anscheinsbeweis ist je nach den Umständen des Einzelfalles möglich.
Normenkette
BGB §§ 612a, 134; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 13.07.2017; Aktenzeichen 6 Ca 98/17) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 13.07.2017, Az.: 6 Ca 98/17 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung.
Die Klägerin ist seit dem 01.05.2016 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18.05.2016 bei der Beklagten, einem Reisebusunternehmen mit zwei Büros, als kaufmännische Angestellte zu einem Bruttomonatslohn in Höhe von 1.600,00 EUR beschäftigt. Gemäß § 4 des Arbeitsvertrages (Bl. 13 d. A.) ist die Vergütung jeweils zum 10. des Folgemonats bargeldlos zu zahlen.
Die Vergütung für Oktober 2016 zahlte die Beklagte am 16.11.2016, die Vergütung für November 2016 am 15.12.2016.
Am Montag, den 16.01.2017, meldete sich die Klägerin bei der Beklagten telefonisch arbeitsunfähig krank und legte eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Mit Schreiben vom 19.01.2017 (Bl. 23 d. A.), das ihr Vater noch am selben Tag der Beklagten zufaxte, übersandte die Klägerin an die Beklagte eine Folgebescheinigung bis voraussichtlich zum 03.02.2017. Gleichzeitig forderte sie mit diesem Schreiben insbesondere die Beklagte auf, dafür Sorge zu tragen, dass "künftig am Arbeitsplatz normale Temperaturen - wie in der Arbeitsstättenverordnung vorgesehen" - vorherrschen. Ferner mahnte sie die Auszahlung des Dezembergehalts 2016 mit einer Zahlungsfrist von drei Arbeitstagen an und verlangte die Sicherstellung der künftigen pünktlichen Gehaltszahlungen.
Die Vergütung für Dezember 2016 zahlte die Beklagte sodann am 24.01.2017.
Mit weiterem Schreiben vom 13.02.2017 (Bl. 24 d. A.), das der Beklagten per Fax ebenfalls am selben Tag zuging, forderte die Klägerin unter anderem die Beklagte auf, das Januargehalt 2017 zu zahlen und wies auf mögliche Schadensersatzansprüche wegen der verspäteten Zahlungen hin. Auch erinnerte sie an die bereits mit Schreiben vom 19.01.2017 angeforderte Gehaltsabrechnung für Dezember 2016 sowie die Lohnsteuerbescheinigung 2016. Zusätzlich forderte sie die Lohnabrechnung für Januar 2017 ein.
Mit Schreiben vom 14.02.2017, das der Klägerin noch am selben Tag zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 15.03.2017. Zugleich erhielt die Klägerin eine Kopie eines Kündigungsschreibens vom 24.01.2017 zum 28.02.2017.
Das Januargehalt 2017 zahlte die Beklagte schließlich am 15.02.2017 an die Klägerin.
Gegen die Kündigung der Beklagten vom 14.02.2017 wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden beim Arbeitsgericht am 06.03.2017 eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,
sie habe lediglich in zulässiger Weise ihre Rechte wahrgenommen. Bereits bei der persönlichen Krankmeldung am 16.01.2017 habe der Geschäftsführer der Beklagten dies damit dokumentiert, dass er gesagt habe, "das habe ich mir gleich gedacht". Weil die Beklagte schon auf die mit ihrem Schreiben vom 19.01.2017 geltend gemachten berechtigten Interessen habe kündigen wollen und bemerkt habe, dass ihr die Kündigung vom 24.01.2017 nicht zugegangen sei und weil sie es gewagt habe, mit Schreiben vom 13.02.2017 weitere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegen die Beklagte zu stellen, sei die streitgegenständliche Kündigung umgehend erfolgt. In dieser Weise würde die Beklagte öfter reagieren, wenn sich Arbeitnehmer beschwerten, arbeitsunfähig krank würden oder sogar Ansprüche gegenüber der Beklagten e...