Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Arbeitgebers zur Duldung von Streikmaßnahmen auf seinem Betriebsgelände
Leitsatz (amtlich)
Das Hausrecht des Arbeitgebers ist im Arbeitskampf nicht durch das Streikrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG eingeschränkt. Der Arbeitgeber ist daher nicht verpflichtet, Streikmaßnahmen auf seinem Betriebsgelände zu dulden.
Normenkette
BGB §§ 858 ff.; GG Art. 14, 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 23.09.2015; Aktenzeichen 11 Ca 1346/15) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.9.2015 - 11 Ca 1346/15 - wie folgt abgeändert:
Der Beklagten wird es untersagt, Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände der Klägerin, dessen Grenzen anhand des Mietvertrages vom 13. Dezember 2011 nebst Anlage 1.1.1 ersichtlich sind, in der A-Straße, A-Stadt durchzuführen.
II.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Unterlassungspflicht ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Vorsitzenden ihres Bundesvorstandes, angedroht.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung der Beklagten, auf dem Betriebsgelände der Klägerin Streikmaßnahmen durchzuführen.
Die nicht tarifgebundene Klägerin ist ein zur A.-Gruppe gehörendes Unternehmen mit Sitz in A-Stadt. Ihr Betriebsgelände befindet sich auf einer dort gelegenen, angemieteten Fläche von rund 185.000 m2, deren Lage und Grenzen in einem Mietvertrag vom 13.12.2011 (Bl. 24 - 27 d.A.) und in einem Lageplan (Anlage 1.1.1 zum Mietvertrag, Bl. 30 d.A.) dargestellt sind. Nach Behauptung der beklagten Gewerkschaft - gestützt auf einen Grundbuchauszug (Bl. 279 - 284 d.A.) - stehen die betreffenden Grundstücke im Eigentum eines aus mehreren Gebietskörperschaften bestehenden Zweckverbandes.
Auf dem von der Klägerin angemieteten Betriebsgelände befinden sich sowohl Gebäude, in denen die Klägerin ihrem Unternehmensgegenstand, dem Versand von über das Internet bestellbaren Artikeln nachgeht, als auch größere Parkplatzflächen. Der Zugang zu den Gebäuden erfolgt zentral über einen Haupteingang, den sogenannten " B.-Tower". Die weitaus meisten der bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer nutzen für die Anfahrt zum Betriebsgelände ihre privaten Kraftfahrzeuge. Dabei fährt die Mehrzahl der Arbeitnehmer über eine parallel zum Betriebsgelände verlaufende Straße. Unmittelbar an diese Straße angrenzend befindet sich unweit der Einfahrt zum Betriebsgelände der Klägerin eine Bushaltestelle, die derzeit vom öffentlichen Personennahverkehr nicht bedient wird. In der Mitte der von der Straße aus gut sichtbaren Bushaltestelle befindet sich eine nicht genutzte Grünfläche.
An der Einfahrt zum Betriebsgelände der Klägerin befinden sich Schilder mit der Aufschrift: "Privatgrundstück - Unbefugten ist das Betreten und Befahren verboten!".
Zur Beschreibung der örtlichen Gegebenheiten im Einzelnen wird auf den das Betriebsgrundstück der Klägerin betreffenden Lageplan (Bl. 30 d.A.) sowie auf die Lichtbildaufnahmen der Bushaltestellte (Bl. 309 f. d.A.) verwiesen.
Seit April 2013 werden von der beklagten Gewerkschaft eine Vielzahl von in Deutschland ansässigen A.-Gesellschaften zur Erzwingung von Verhandlungen über Anerkennungstarifverträge bestreikt. Erstmals für den 16. und 17.12.2014 rief die Beklagte die Beschäftigten der Klägerin zum Streik auf. Am frühen Vormittag des 16.12.2014 postierten sich ein Streikleiter sowie insgesamt ca. 65 Streikende auf dem Betriebsgelände vor dem sog. " B.-Tower" und versuchten, (weitere) Mitarbeiter der Klägerin für den Streik zu gewinnen. Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.12.2014 (Az. 11 Ga 84/14) wurde der Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung untersagt, am 16. und 17. Dezember 2014 Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände der Klägerin durchzuführen. Für den 30.03. und 31.03.2015 rief die Beklagte erneut dazu auf, die Klägerin zu bestreiken. Am frühen Morgen des 30.03.2015 formierten sich wiederum auf dem Betriebsgelände der Klägerin vor dem " B.-Tower" Streikende und riefen die zur Arbeit eintreffenden Mitarbeiter zur Teilnahme am Streik auf. Die Klägerin erwirkte daraufhin eine erneute einstweilige Verfügung gegen die Beklagte, mit welcher dieser untersagt wurde, am 30. und 31.03.2015 Streikmaßnahmen auf dem Betriebsgelände durchzuführen (Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.03.2015 - 7 Ga 18/15 -).
Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, die Beklagte sei nicht berechtigt, das Betriebsgelände zum Zwecke der Durchführung von Streikmaßnahmen zu betreten. Sie - die Klägerin - könne nicht dazu angehalten sein, der Beklagten ihr eigenes Betriebsgelände für Zwecke des Arbeitskampfes zur Verfügung zu stellen. Eine diesbezügliche Verpflichtung folge insbesondere nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG, da sie kein...