Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschlechternde Ablösung einer Versorgungsordnung durch Betriebsvereinbarung. Verwirkung des Antrags auf Vergleichsberechnung einer betrieblichen Versorgungsleistung. Befristeter Zeitraum zur Antragstellung auf Korrektur einer Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers. Verjährung von Betriebsrentenansprüchen
Leitsatz (amtlich)
Zur Verwirkung eines Anspruchs auf Neuberechnung einer Betriebsrente.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Betriebsvereinbarung ist ein rechtlich geeignetes Mittel, um eine auf einer Gesamtzusage oder vertraglichen Einheitsregelung beruhende vertragliche Versorgungsordnung abzulösen und dabei auch ungünstigere Regelungen zu treffen. Dabei sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Verhältnismäßigkeit und der Billigkeit zu beachten.
2. Sieht eine betriebliche Versorgungsregelung vor, dass der Versorgungsberechtigte einen Antrag auf Vergleichsberechnung "bei Eintritt des Versorgungsfalls" stellen kann, ist ein solches Antragsrecht bei einer erst 13 Jahre nach Eintritt des Versorgungsfalls erfolgten Antragstellung verwirkt.
3. Hält der Versorgungsempfänger eine Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für fehlerhaft, muss er dies gegenüber dem Arbeitgeber vor dem nächsten Anpassungsstichtag zumindest außergerichtlich geltend machen. Unterlässt er diese Geltendmachung, erlischt der Anspruch auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung.
4. Gem. § 18a Satz 2 BetrAVG unterliegen Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen der regelmäßigen Verjährungsfrist nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, folglich der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB.
Normenkette
BGB §§ 195, 199 Abs. 1, § 242; BetrAVG § 16 Abs. 1, § 18a S. 2
Verfahrensgang
ArbG Saarbrücken (Entscheidung vom 24.08.2018; Aktenzeichen 8 Ca 597/17.SLS) |
Nachgehend
Tenor
1. Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung des Klägers die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Saarland vom 24. August 2018 - 8 Ca 597/17.SLS - verurteilt,
a. an den Kläger beginnend mit dem Monat Oktober 2019 eine Betriebsrente in Höhe von 1.656,06 EUR monatlich zu zahlen;
b. für die Zeit ab dem 1.1.2016 bis zum 30.9.2019 rückständige Rente in Höhe von 1.732,59 EUR zu zahlen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die korrekte Berechnung der Betriebsrente des Klägers sowie über Ansprüche des Klägers auf Anpassungen der Rente.
Bei Eintritt des 1940 geborenen Klägers in die Rechtsvorgängerin der Beklagten - am 1.3.1955 - galten "Allgemeine Bedingungen betreffend die Altersversorgung der Angestellten und Arbeiter" (im Folgenden VO 53; GA I Bl. 6 ff.). Diese sahen in § 6 Abs. 3 vor, dass sich das Ruhegehalt mit 10% des zugrunde zu legenden durchschnittlichen Monatseinkommens berechne. Für jedes weitere volle Jahr, welches ein Betriebsangehöriger von da ab im Dienste der Firma leiste, sollte sich das Ruhegehalt um 2% des zugrunde zu legenden Monatsdurchschnitts erhöhen, mit der Maßgabe, dass das Ruhegehalt 60% des Monatsdurchschnitts nicht übersteigt.
Diese Betriebsvereinbarung wurde durch die Betriebsvereinbarung vom 21.12.1979 (im Folgenden: VO 79; GA I Bl. 2) ersetzt, wonach die Mitarbeiter eine Versorgung erhalten, die sich für jedes vollendete Dienstjahr um 0,4% des ruhegeldfähigen Einkommens erhöhen sollte. Mitarbeiter, die vor dem 1.1.1970 in die Firma eingetreten waren, sollten für jedes vollendete anrechnungsfähige Dienstjahr vor dem 1.1.1970 zusätzlich zu dem Steigerungsbetrag von 0,4% einen weiteren Steigerungsbetrag von 0,6% erhalten.
Ziff. 3 lautet im Wortlaut:
"Sollte einem" (ergänze: vor dem 1.1.1970 in die Firma eingetretenen) Mitarbeiter gegenüber den bisherigen Regelungen ein Nachteil entstehen, so wird die Firma bei Eintritt des Versorgungsfalls auf Antrag eine Vergleichsberechnung anstellen. Dabei werden Dienstjahre bis zum 31.12.1979 nach dem bisherigen System bewertet. Ein sich aus der Vergleichsrechnung etwa ergebender Nachteil wird ausgeglichen."
Die VO 79 wurde sodann durch eine weitere Betriebsvereinbarung vom 28.9.1988 (GA I Bl. 3) rückwirkend zum 1.1.1988 modifiziert. Demnach sollte unter Bezugnahme auf den Text von § 6 Abs. 3 VO 53 "jedes Dienstjahr der ununterbrochenen Tätigkeit mit 0,2% des Arbeitseinkommens bewertet werden".
Der Kläger schied zum 31.12.2003 aus und erhielt von der Beklagten ab dem 1.1.2004 eine betriebliche Altersrente in Höhe von 1.377,91 EUR. Die Rente wurde zum 1.1.2013 auf 1.529,15 EUR und rückwirkend zum 1.1.2019 auf 1.598,11 EUR erhöht.
Die Beklagte passte die Rente zu den Stichtagen 1.1.2010 und 1.1.2013 an, nicht hingegen zu den Anpassungsstichtagen 1.1.2007 und 1.1.2016. Die Nichtanpassungen begründet die Beklagte mit ihrer schlechten wirtschaftlichen Situation.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Rente des Klägers falsch berechnet; die Anpassungen...