Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbandsaustritt. Auslegung des Kündigungsschreibens. Rechtswirksamkeit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist für die Verbandsmitgliedschaft. Kündigungsfrist für den Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Satzungsbestimmung eines Arbeitgeberverbands, die eine Kündigung der Mitgliedschaft an die Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalenderjahrs bindet, ist rechtlich zulässig.
2. Ein Kündigungsschreiben eines Mitglieds eines Arbeitgeberverbands, in dem formuliert wird „Hiermit kündigen wir die Mitgliedschaft … zum nächstmöglichen Termin” ist regelmäßig als satzungsgemäße Beendigung der Mitgliedschaft im Verband zu verstehen.
Normenkette
BGB § 39 Abs. 2; TVG § 3 Abs. 1, 3, § 4 Abs. 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Neunkirchen (Urteil vom 23.01.2003; Aktenzeichen 3 Ca 1368/02) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am23. Januar 2003 verkündeteUrteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen (3 Ca 1368/02) wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts unter den Ziffern 1 und 2 des Urteilstenors dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin für die Zeit vom 1. März bis zum 31. Juli 2001 eine ausstehende Tarifvergütung von 191,75 EUR brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 20. September 2002 zu zahlen, und dass die Beklagte weiter verurteilt wird, an die Klägerin für die Zeit vom 1. August bis zum 31. Dezember 2001 sowie für die Zeit vom 1. Juni bis zum 31. August 2002 eine ausstehende Tarifvergütung von 593,12 EUR brutto zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 20. September 2002 zu zahlen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist seit 1990 bei der Beklagten, einem Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, als Packerin beschäftigt. Unter Ziffer 1 Absatz 3 des Arbeitsvertrages vom 16. November 1990 (Anlage I zur Klageschrift, Anlagenband) heißt es:
„Für das Arbeitsverhältnis gelten in ihrer jeweiligen Fassung die tariflichen Bestimmungen für die Arbeiter der chemischen Industrie im zuständigen Tarifgebiet, die Arbeits- und Betriebsordnung sowie die sonstigen Betriebsvereinbarungen und betrieblichen Regelungen, soweit im folgenden nichts anderes vereinbart ist.”
Die Klägerin ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Die Beklagte gehörte seit 1980 dem Arbeitgeberverband der Chemischen Industrie Saarland e.V. an. Seit seiner Einstellung bei der Beklagten erhielt der Kläger eine Vergütung nach den zwischen diesen Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifverträgen. Mit einem neuen Tarifvertrag vom 15. Mai 2000 vereinbarten die Tarifvertragsparteien eine Erhöhung der Löhne um 2,2 Prozent ab dem 1. August 2000 sowie eine weitere Erhöhung um 2 Prozent ab dem 1. August 2001. Bestandteil des Tarifvertrages sind Entgelttabellen, in denen die neuen Entgeltsätze für die jeweiligen Entgeltgruppen beziffert bezeichnet sind. Der neue Tarifvertrag sollte am 1. August 2000 in Kraft treten und erstmals zum 30. April 2002 gekündigt werden können.
Die tarifliche Lohnerhöhung zum 1. August 2000 und zum 1. August 2001 gab die Beklagte nicht an die Klägerin weiter. Sie begründete dies damit, dass sie aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sei. Ihre Mitgliedschaft in dem Arbeitgeberverband der Chemischen Industrie Saarland e.V. hatte die Beklagte mit einem an den Arbeitgeberverband gerichteten Schreiben vom 25. Oktober 1999 (Blatt 16 der Akten) gekündigt, und zwar zum „nächstmöglichen Termin”. Mit dem Antwortschreiben vom 28. Oktober 1999 (Blatt 84 der Akten) bedauerte der Arbeitgeberverband die Kündigung der Beklagten und teilte weiter mit, der nächstmögliche Termin sei nach seiner Satzung der 31. Dezember 2000.
§ 5 Ziffer 4 der Satzung des Arbeitgeberverbandes (Anlage IV des Anlagenbandes zur Klageschrift) hat folgenden Wortlaut:
„Ein Mitglied kann nur zum Schluss eines Kalenderjahres aus dem Verband freiwillig ausscheiden. Die Kündigung muss bis zum 30. VI. durch eingeschriebenen Brief erfolgen.”
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr ab dem 1. August 2000 der erhöhte Tariflohn zustehe; entsprechendes gelte für die weitere Erhöhung des Tariflohns ab dem 1. August 2001. Der Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband sei erst zum 31. Dezember 2000 wirksam geworden. Der neue Tarifvertrag sei aber vorher geschlossen worden. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. August 2000 bis zum 31. Juli 2001 eine ausstehende Tarifvergütung von 460,16 EUR (900 DM) brutto zuzüglich 4,8 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Eckzinssatz zu zahlen. Weiter hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. August 2001 bis zum 31. August 2002 eine ausstehende Tarifvergütung in Höhe von 963,79 EUR (1.885 DM) brutto zuzüglich ...