Entscheidungsstichwort (Thema)
nachträglicher Zulassung der Kündigungsschutzklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach Auffassung der Kammer bedarf es im Verfahren nach § 5 KSchG keiner Nichtabhilfeentscheidung des Ausgangsgerichts gemäß § 572 Abs. 1 ZPO.
2. Auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei kommt es dann nicht an, wenn der Anwalt einer Kanzlei einer Angestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte
Normenkette
KSchG § 5; ZPO § 85
Verfahrensgang
ArbG Dessau (Beschluss vom 04.07.2003; Aktenzeichen 11 Ca 220/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dessau vom 04.07.2003 – 11 Ca 220/03 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten in der Hauptsache über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einer fristgerechten Kündigung der Beklagten.
Der Kläger hat gegen die ihm am 31.03.2003 zugegangene ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses erst am 06.05.2003 eine Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht Dessau anhängig gemacht und zugleich „die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand” hinsichtlich der Versäumung der Frist des § 4 KSchG beantragt.
Der verspäteten Einreichung der Kündigungsschutzklage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers tätige Rechtsanwaltsgehilfin S hatte die von dem Prozessbevollmächtigten am 08.04.2003 gefertigte und unterzeichnete Klageschrift am 09.04.2003 bereits in die der Postübermittlung an die diversen Gerichte dienende Aktentasche eingelegt, um damit am folgenden Tag vor Dienstbeginn die Post in den diversen Gerichten abzuliefern und dort lagernde Post für die Kanzlei in Empfang zu nehmen. Am Abend des 09.04.2003 stellte sich heraus, dass an einem Schriftsatz für das Amtsgericht noch eine kurzfristige Änderung vorzunehmen war. Die Büroangestellte S entnahm daraufhin der besagten Aktentasche die diversen Schriftstücke und sortierte diese auf verschiedenen Stapeln. Dabei geriet die an das Arbeitsgericht Dessau gerichtete Kündigungsschutzklage versehentlich auf einen Stapel mit bereits abgelegter Post und wurde nicht zusammen mit den anderen versandfertig gemachten Schriftstücken wieder der zum Transport dienenden Aktentasche zugeführt. Dieses Versehen wurde zunächst nicht bemerkt. Vielmehr ließ der Prozessbevollmächtigte sich am letzten Tag der Frist, dem 22.04.2003, im Rahmen der Fristenkontrolle noch einmal von der Büroangestellten S auf ausdrückliche Nachfrage hin die Fertigung und Absendung der Kündigungsschutzklage bestätigen. Erst danach erfolgte die Löschung der Frist im Fristenkalender und im Computer des Prozessbevollmächtigten.
Der Fehler selbst fiel erst 14 Tage später auf, als die Sache im normalen Geschäftsgang bearbeitet werden sollte.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe die Frist des § 4 KSchG unverschuldet versäumt.
…
Der Kläger hat beantragt,
dem Kläger gegen die Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG beruhe auf einem dem Kläger zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten in Form des so genannten Organisationsverschuldens.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 04.07.2003 die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe die Frist des § 4 KSchG schuldlos versäumt. Dies folge bereits daraus, dass ihm ein mögliches Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nicht analog § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbar sei. Im Übrigen sei aber auch nicht von einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten auszugehen. Wegen der weiteren Einzelheiten des angefochtenen Beschlusses wird auf Bl. 38 – 44 d.A. verwiesen.
Gegen diesen, ihm am 10.07.2003 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 15.07.2003 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie der Sache nach die Abänderung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Antrages auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage begehrt.
Die Beklagte hält unter Vertiefung ihres Sachvortrages an ihrem erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkt fest. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat ohne förmliche Nichtabhilfeentscheidung die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
…
1.
Das Landesarbeitsgericht ist auch ohne eine förmliche Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufen. Nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer bedarf es im Verfahren nach § 5 KSchG keiner Nichtabhilfeentsche...