Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Hilfsantrag durch Auslegung eines eindeutig gewollten Hauptantrags. Mutwilligkeit i.S.d. § 114 Abs. 2 ZPO. Mutwillige Prozessführung bei mehreren Hauptanträgen. Keine Hinweispflicht des Gerichts zur Mutwilligkeit des Klageantrags bei anwaltlich vertretener Partei
Leitsatz (amtlich)
1. Macht die Partei deutlich, dass auf jeden Fall ein unbedingter Antrag gewollt ist, kann nicht im Wege der Auslegung von einem Hilfsantrag ausgegangen werden.
2. Ein Weiterbeschäftigungsantrag als unbedingter Antrag ist in der Regel mutwillig i. S. d. § 114 Abs. 2 ZPO.
3. Jedenfalls bei einer anwaltlich vertretenen Partei besteht keine Hinweispflicht des Gerichts.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 114 Abs. 2 ZPO ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, die bedürftige Partei beim Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz einer vermögenden Partei gleichzustellen.
2. Gemäß § 91 ZPO sind die Parteien und ihre Vertreter gehalten, die Kosten des Verfahrens angemessen niedrig zu halten. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der kostspieligere ist, ohne dass dafür ein sachlicher Grund gegeben ist.
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 2, § 91; GKG § 45 Abs. 1; RVG § 23 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Halle (Entscheidung vom 21.02.2022; Aktenzeichen 4 Ca 740/21) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Halle vom 21.02.2022 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 23.03.2022 - 4 Ca 740/21 (PKH) - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Klägerin hat u. a. für eine Kündigungsschutzklage und einen vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrag Prozesskostenhilfe beantragt.
Zur Begründung des vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrages hat die Klägerin in der Klageschrift ausgeführt:
"Die Klägerin beruft sich insoweit auf den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch. Der Weiterbeschäftigungsantrag wird ausdrücklich ohne inner- oder außerprozessuale Bedingung gestellt, insbesondere nicht unter der Bedingung des Obsiegens mit dem auf Kündigungsschutz gerichteten Feststellungsantrag."
Mit Beschluss vom 21.02.2021 hat das Arbeitsgericht der Klägerin überwiegend Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr zur Wahrnehmung ihrer Rechte Kanzlei ..., Rechtsanwälte beigeordnet. Betreffend den Prozesskostenhilfeantrag für die Rechtsverfolgung des vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrages hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung insoweit mutwillig sei.
Gegen den der Klägerin am 22.02.2022 zugestellten Beschluss wendet sich ihre am 22.03.2022 bei dem Arbeitsgericht Halle eingelegte sofortige Beschwerde.
Mit Teilabhilfebeschluss vom 23.03.2022 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen. Betreffend die Zurückweisung des PKH-Antrages für die Rechtsverfolgung des vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrages hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt.
B.
I.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Es handelt sich um das gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel. Die Klägerin hat die einmonatige Notfrist des § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingehalten. Die Beschwerdeschrift entspricht auch den Vorgaben der §§ 569 Abs. 2, 571 Abs. 1 ZPO.
II.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Rechtsverfolgung des vorläufigen Weiterbeschäftigungsantrages zurückgewiesen.
1.
Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Nach § 114 Abs. 2 ZPO ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, die bedürftige Partei beim Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz einer vermögenden Partei gleichzustellen. Die Prozesskostenhilfe zielt nicht darauf ab, Bedürftigen auf Kosten der Allgemeinheit eine Prozessführung zu ermöglichen, von der eine vermögende Partei bei vernünftiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage und der gegebenen prozessualen Möglichkeiten absehen würde.