Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Form der Bereitstellung von Listen über Bruttolöhne und -Gehälter gegenüber dem Betriebsausschuss. Umfang des Einsichtnahmerechts des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter müssen dem Betriebsausschuss nicht anonymisiert zur Einsichtnahme bereitgestellt werden.

2. § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG n.F. erlaubt ausdrücklich die Datenverarbeitung zum Zwecke der Ausübung von Rechten der Interessenvertretung der Beschäftigten und stellt damit das Einsichtnahmerecht des Betriebsausschusses nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG auf eine rechtssichere Grundlage.

3. Durch das Entgelttransparenzgesetz wird das Einsichtnahmerecht des Betriebsrates nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG erweitert, der Arbeitgeber hat nicht nur vorhandene Listen zur Verfügung zu stellen, sondern diese noch nach Geschlecht aufzuschlüsseln und so aufzubereiten, dass der Betriebsausschuss im Rahmen seines Einblicksrecht seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann.

 

Normenkette

BetrVG § 80 Abs. 2 S. 2; BDSG § 26 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 05.07.2017; Aktenzeichen 5 BV 68/16)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 05.07.2017 - 5 BV 68/16 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Betriebsrates auf Einsichtnahme in die Bruttolohn- und Gehaltslisten in nicht anonymisierter Form.

Die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt in ...... ein Rehabilitationsklinikum für Neurologie, Herz-, Kreislauf- und Gefäßerkrankungen für stationäre Rehabilitationsmaßnahmen. In dem Klinikum werden ca. 370 Arbeitnehmer beschäftigt, davon ca. 152 im Pflegebereich, 28 Mitarbeiter im ärztlichen Dienst sowie ca. 23 Mitarbeiter in der Verwaltung. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1 ist der für den dortigen Betrieb gebildete Betriebsrat.

Auf die Mehrheit der Arbeitsverhältnisse der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer finden ein nachwirkender Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV) und ein nachwirkender Entgelttarifvertrag vom 23.03.2014 (im Folgenden: ETV) Anwendung. Der ETV, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 93 ff. d. A. verwiesen wird, enthält u. a. Regelungen zur Höhe der Vergütung nach Vergütungsgruppen, die Jahressonderzahlung (§ 4 ETV), die Einmalzahlung (§ 5 ETV), Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sowie für Überstunden (§ 9 ETV) und Regelung zur Vergütung von Bereitschaft und Rufbereitschaft (§ 10 ETV). Die Arbeitgeberin zahlt darüber hinaus an einzelne Arbeitnehmer auch außertarifliche Zulagen.

Ungefähr Mitte des Jahres 2014 fand die letzte Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten statt. Mit Schreiben vom 30.11.2015 (Anlage AS 2; Bl. 16 d. A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin. mit, dass er in seiner Sitzung am 18.11.2015 für seinen Betriebsausschuss die Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten der Arbeitnehmer des Betriebes mit Ausnahme der leitenden Angestellten beschlossen hat. Dabei wurden in der Vergangenheit die Listen stets unter Angabe von Name, Vorname, Geburtsdatum und Personalnummer vorgelegt.

Am 19.08.2016 erfolgte die Einsichtnahme durch den Betriebsausschuss in die Bruttoentgeltlisten der Arbeitnehmer in der Konzernzentrale in ..... Dabei wurden dem Betriebsausschuss Listen für den Monat Juli 2016 mit Entgeltangaben vorgelegt, die jedoch weder die Namen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer noch deren Geburtsdaten und deren betriebliche Personalnummern enthielten. Auf Nachfrage des Betriebsratsvorsitzenden teilte die bei der Arbeitgeberin als HR-Managerin beschäftigte Mitarbeiterin ..... mit, dass sie die Listen mit den begehrten Angaben zu den Mitarbeitern nicht herausgeben werde. In seiner Sitzung am 24.08.2016 fasste der Betriebsrat den Beschluss (vgl. Anlage AS 1; Bl. 15 d. A.), wegen Missachtung seiner Unterrichtungsrechte und zur Durchsetzung seines Einsichtsrechts aus § 80 Abs. 2, Satz 2 BetrVG das vorliegende Beschlussverfahren einzuleiten.

Mit der am 07.09.2016 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingereichten Antragsschrift hat der Betriebsrat das Einsichtsrecht seines Betriebsausschusses in die Bruttoentgeltlisten gerichtlich geltend gemacht.

Der Betriebsrat hat vorgetragen,

das Einsichtsrecht des Betriebsausschusses erstrecke sich auch auf die Nachnamen und Vornamen der Arbeitnehmer, deren Geburtsdaten sowie deren Personalnummern. Er sei der Auffassung, er habe einen Anspruch auf diese erweiterte Einsichtnahme, weil er nur so seinen gesetzlichen Überwachungs- und Kontrollaufgaben gerecht werden könne. Dies betreffe zunächst die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge. Eine Überwachung, insbesondere bezüglich der Einhaltung des ETV sei in anonymisierter Form nicht möglich. So könne anhand der anonymisierten Daten bei insgesamt 370 Arbeitnehmern beispielsweise nicht nachvollzogen werden, ob Zuschläge tatsächlich an diejenigen Arbeitnehmer gezahlt würden, d...

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