Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtszustellung eines Unterlassungstitels und Anforderungen an dessen Vollziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Amtszustellung eines Unterlassungstitels erfüllt nicht die Anforderungen einer Vollziehung im Sinne von § 929 Abs. 2 ZPO.
2. Die Zustellung einer Unterlassungsverfügung ohne Strafandrohung im Parteibetrieb ist nicht als Vollziehung geeignet.
3. Die einstweilige Verfügung wird mit der Zustellung der nachträglich erwirkten Ordnungsmittelandrohung vollzogen.
Normenkette
ZPO § 929 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Dessau (Entscheidung vom 11.12.2023; Aktenzeichen 8 Ga 1/23) |
Nachgehend
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 11.12.2023 - 8 Ga 1/23 - wird
zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Rechtsfrage, ob die innerhalb eines Monats nach Verkündung der beantragten Unterlassungsverfügung nachträglich erwirkte und zugestellte Ordnungsmittelandrohung geeignet ist, die in § 929 Absatz 2 ZPO bestimmte Frist zur Vollziehung der einstweiligen Verfügung zu wahren, ohne dass die zuvor erlangte Unterlassungsverfügung zusätzlich im Parteibetrieb zugestellt worden ist.
Unter dem 04.10.2023 begehrte die Beschwerdegegnerin bei dem Landgericht Dessau-Roßlau den Erlass einer einstweiligen Verfügung und beantragte,
der Verfügungsbeklagten, der, im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, die im August 2023 ausgeschriebene Stelle einer Direktorin/eines Direktors mit einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber zu besetzen, so lange im beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt unter dem Aktenzeichen 8 Sa 188/23 anhängigen Hauptsacheverfahren ihr Antrag auf Verurteilung der Verfügungsbeklagten zur Fortsetzung des Stellenbesetzungsverfahrens gemäß Stellenausschreibung vom 17.11.2021 nicht rechtskräftig abgewiesen worden ist;
hilfsweise
- der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig zu untersagen, die im August 2023 ausgeschriebene Stelle einer Direktorin/eines Direktors mit einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber zu besetzen, bis im Hauptsacheverfahren über ihre Berücksichtigung als Kandidatin im Auswahlverfahren rechtskräftig entschieden worden ist.
Nach einem gerichtlichem Hinweis, dass der beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig und das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau zuständig sein dürfte, verwies das Landgericht Dessau-Roßlau das Verfahren mit Beschluss vom 13.10.2023 "an das für den Rechtsweg vor den Arbeitsgerichten zuständige Arbeitsgericht Dessau-Roßlau".
Auf die mündliche Verhandlung vom 14.11.2023 verkündete das Arbeitsgericht am selben Tag ein Urteil mit nachfolgendem Tenor:
1. Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig untersagt, die im August 2023 ausgeschriebene Stelle einer Direktorin/eines Direktors mit einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber zu besetzen, bis im Hauptsacheverfahren über die Berücksichtigung der Verfügungsklägerin als Kandidatin im Auswahlverfahren rechtskräftig entschieden worden ist.
2. Im Übrigen wird der Antrag zu 1) abgewiesen.
..."
Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin am 30.11.2023 und den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 01.12.2023 zugestellt.
Mit am selben Tag bei dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Schriftsätzen vom 16.11.2023, beantragte die Beschwerdegegnerin die Übersendung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils beantragt, ihr erteilt unter dem 05.12.2023, sowie zu beschließen,
der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die mit Urteil vom 14.11.2023 verkündete einstweilige Verfügung, nach der der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig untersagt ist, die im August 2023 ausgeschrieben Stelle einer Direktorin/eines Direktors mit einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber zu besetzen, bis im Hauptsachverfahren über ihre Berücksichtigung als Kandidatin im Auswahlverfahren rechtskräftig entschieden worden ist, ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.
Dieser Antrag wurde den Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 21.11.2023 zugestellt, die beantragt haben,
den Antrag zurückzuweisen
und in Ermangelung der Kenntnis über ein Hauptsacheverfahren gleichzeitig zusicherten, als staatliche Stelle des öffentlichen Rechts, die Stelle nicht mit einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber zu besetzen, bis das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt über die Berufung im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 14.11.2023 entschieden hat.
Mit Beschluss vom 11.12.2023 hat das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau dem Antrag der Beschwerdegegnerin vollumfänglich entsprochen und der Beschwerdeführerin O...