Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Betriebsratswahl. Zwei-Wochen-Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen. Beachtung der Dienststunden der Arbeitnehmer für Wahlvorbereitungshandlungen. Unverzügliche Prüfung der Wahlvorschläge
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Betriebsratswahl kann angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Dabei ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Wahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Ergebnis erzielt worden wäre.
2. Vorschlagslisten sind von den Wahlberechtigten vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens einzureichen. Diese Zwei-Wochen-Frist ist eine Ausschlussfrist. Sie beginnt mit dem Aushang des Wahlausschreibens. Ist der Aushang des Wahlausschreibens bis spätestens 14.00 Uhr erfolgt, endet die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen nach zwei Wochen um 14.00 Uhr. Diese Festlegung trifft der Wahlvorstand. Sie ist rechtsfehlerfrei.
3. Die Festlegung der Uhrzeit bei Beginn und Ende der Zwei-Wochen-Frist muss so gewählt werden, dass der überwiegende Teil der Arbeitnehmer - auch im Schichtbetrieb - innerhalb ihrer Dienststunden etwaige Wahlvorbereitungshandlungen durchführen kann. Endet die Arbeitszeit nicht vor 15.00 Uhr, kann der Wahlvorstand das Ende einer Frist mit 14.00 Uhr bestimmen.
4. Der Wahlvorstand muss die eingereichten Wahlvorschläge unverzüglich, möglichst binnen einer Frist von zwei Arbeitstagen nach ihrem Eingang prüfen. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Geht ein Wahlvorschlag am Freitag bei dem Wahlvorstand ein und prüft dieser den Wahlvorschlag am folgenden Montag, so ist dies unverzüglich und ergibt keinen Verfahrensmangel.
Normenkette
BetrVG § 19 Abs. 1; WO § 6 Abs. 1 S. 2, § 7 Abs. 2 S. 2; BGB § 121 Abs. 1 S. 1, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Hs. 1
Verfahrensgang
ArbG Dessau (Entscheidung vom 15.08.2014; Aktenzeichen 9 BV 2/14) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1, 2, 4 und 5 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 15. August 2014 - 9 BV 2/14 - wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die - ursprünglich 9 und nunmehr noch - 4 Antragsteller (hier: Beteiligte zu 1), 2), 4) und 5)) machen als wahlberechtigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin der - hier - zu 7) beteiligten Arbeitgeberin die Unwirksamkeit der am 25./26. März 2014 durchgeführten Wahl geltend, aus der der - hier - zu 6) beteiligte Betriebsrat hervorging.
Die Arbeitgeberin ist ein Betrieb, in dem Kautschukmischungen hergestellt werden. Am 18. März 2014 waren im Betrieb insgesamt 327 Arbeitnehmer/innen im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG beschäftigt. Mit Ausnahme der etwa 25 Angestellten in der Verwaltung wird im Betrieb der hier beteiligten Arbeitgeberin im Drei-Schicht-System gearbeitet. Schichtwechsel ist um 6.00 Uhr, 14.00 Uhr und 22.00 Uhr.
Zur Durchführung der Betriebsratswahl 2014 bestellte der Betriebsrat in seiner vorherigen Zusammensetzung die Arbeitnehmerinnen We. und N. sowie die Arbeitnehmer K.; Ko; R. in den Wahlvorstand. Vorsitzender des Wahlvorstandes wurde Herr K.
Das vom Wahlvorstand erlassene Wahlausschreiben vom 7. Februar 2014 (Bl. 17, 18 d. A.) lautet auszugsweise:
"Die Betriebsratswahl findet am 25.03. und 26.03.2014 von 5.30 bis 6.30 Uhr und von 13.30 bis 14.30 Uhr im Versammlungsraum Gebäude 09 (ehem. Speisesaal) statt.
Der Betriebsrat hat aus 9 Mitgliedern zu bestehen. (§ 9 BetrVG).
Das Geschlecht, das im Betrieb in der Minderheit ist, muss mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis in der Belegschaft im Betriebsrat vertreten sein (§ 15 Abs. 2 BetrvG). Danach muss mindestens 1 Frau dem Betriebsrat angehören.
Die wahlberechtigten Arbeitnehmer/innen werden hiermit aufgefordert, vor Ablauf von zwei Wochen, spätestens bis zum 24.02.2014, 14.00 Uhr, Vorschlagslisten beim Wahlvorstand, Büro Herr K. oder Büro Frau We. einzureichen. Nur fristgerecht eingereichte Vorschlagslisten werden berücksichtigt."
Im Wahlausschreiben wird u. a. weiter darauf hingewiesen, dass die Vorschlagslisten von mindestens 16 Arbeitnehmer/innen unterzeichnet sein müssen (Stützunterschriften), einer der Bewerber für die Betriebsratswahl als Listenvertreter bezeichnet werden soll, jede Vorschlagsliste mindestens doppelt so viele Bewerber/innen aufweisen soll, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, die einzelnen Bewerber/innen in erkennbarer Reihenfolge unter der laufenden Nummer mit Familienname, Vorname, Gebur...