Entscheidungsstichwort (Thema)
Notarielles Schuldanerkenntnis. Sittenwidrigkeit. Anfechtung
Leitsatz (amtlich)
Ein notarielles Schuldanerkenntnis, das unter Inaussichtstellung einer „internen” Regelung (ohne Strafanzeige) sowie genauerer Prüfung der Höhe des Schadens zustande kommt und den Schuldner irreversibel zur Zahlung von Schadenserstz in einer Höhe verpflichtet, die den aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte bei Vertragsschluss abschätzbaren Schadensbetrag deutlich übersteigt, kann gem. § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sein.
Normenkette
BGB §§ 123, 138
Verfahrensgang
ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 06.06.2000; Aktenzeichen 10 Ca 5168/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Halle vom 06.06.2000 – 10 Ca 5168/99 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines notariellen Schuldanerkenntnisses, das die Klägerin zugunsten der Beklagten nach Aufdeckung von manipulierten Warenretouren abgegeben hat.
Die 1969 geborene Klägerin, ein Kind, geschieden und allein erziehend, war vom 15.07.1996–31.10.1998 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 10.05.1996 bei der Beklagten, die eine Baumarktkette betreibt, als Verkäuferin/Kassiererin beschäftigt. Nach anderweitiger Einarbeitung war sie etwa ab Mitte Oktober 1996 in dem neu eröffneten Baumarkt der Beklagten in … tätig, wo sie während der Eröffnungsphase an den Außenkassen und anschließend etwa weitere 3 Monate ausschließlich an der Hauptkasse eingesetzt wurde.
In der Folgezeit wies die Beklagte die Klägerin und weitere Kolleginnen in die Tätigkeit am Informationsstand als Info-Mitarbeiterinnen ein. Dort waren u. a. Warenretouren von Kunden zu bearbeiten. Der Stand war in jeder Schicht mit 2 Mitarbeiterinnen besetzt. Nach den Geschäftsbedingungen der Beklagten hatten die Kunden ein befristetes Rückgaberecht. Bei Rückgabe der Ware füllte der Kunde oder die Info-Mitarbeiterin einen Retourenbeleg aus (mit Kundenadresse), an den der Kassenbon oder ein anderer Umsatzbeleg geheftet wurde. Anschließend erhielt der Kunde den gezahlten Kaufpreis zurückerstattet. Retouren bis 100,00 DM konnte die Info-Mitarbeiterin gemeinsam mit einer Kassenaufsichtsperson entgegennehmen, Retouren über 100,00 DM waren von der Marktleitung nach Inaugenscheinnahme der Ware zu genehmigen. In der Praxis wurden die Retouren teils telefonisch genehmigt, teils im Nachhinein ohne Kontrolle abgezeichnet. Eine Überprüfung durch die Marktleitung, die im fraglichen Zeitraum wechselte, fand nicht statt. Die zurückgegebene Ware wurde jeweils unmittelbar wieder dem Verkauf zugeführt.
Nach Einweisung waren die Klägerin und ihre Kolleginnen zunächst nur bei Abwesenheit der beiden hauptamtlichen Info-Mitarbeiterinnen am Informationsstand tätig. Später wechselte die Klägerin ständig von der Kasse zum Informationsstand, insbesondere in Stoßzeiten als zusätzliche Hilfe. In der weiteren Folge war sie neben der Kassiertätigkeit auch zeitweilig allein am Informationsstand eingesetzt, so in Pausen sowie in Urlaubs- und sonstigen Vertretungsfällen. In der Zeit vom 23.03. – 30.04.1998 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete nach ärztlicher Empfehlung in beiderseitigem Einvernehmen aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung mit dem 31.10.1998. In der Zeit vom 13.– 31.10.1998 befand sich die Klägerin in Kur.
Am 05.11.1998 stellte die Beklagte durch ihren Revisor, den Zeugen …, fest, dass die Klägerin in den Monaten August und September 1998 eine Reihe von Retourenmanipulationen über einen Gesamtbetrag in Höhe von ca. 6.800,00 DM vorgenommen hatte. Eine stichprobenartig nur auf höhere Beträge ausgerichtete Prüfung des Zeitraums September 1997 – Oktober 1998 ergab nach einer Aufstellung der Beklagten Gesamtmanipulationen in Höhe von 9.895,34 DM (Bl. 62– 64 d.A.), welche im Wesentlichen unstreitig sind.
Die Beklagte bestellte die Klägerin zu einem Gespräch am 19.11.1998. Auf Seiten der Beklagten nahmen daran teil der Zeuge … (Revisor), der Zeuge (Leiter Revision) und der Zeuge … (Distriktmanager). Das Gespräch dauerte etwa 30–60 Minuten und verlief in ruhiger Atmosphäre. Die Zeugen konfrontierten die Klägerin mit ihren Ermittlungen. Nach anfänglichem kurzen Leugnen und Vorlage einiger Belege räumte die Klägerin ein, im Zeitraum von September 1997 – September 1998 Retouren fingiert zu haben, indem sie z. B. erfundene Kundennamen in die Belege eingetragen und daran im Baumarkt von Kunden zurückgelassene Kassenbons geheftet habe. Die entsprechenden Geldbeträge der angeblich zurückgegebenen Ware habe sie der Kasse entnommen. Einzelheiten des Gesprächsverlaufs sind zwischen den Parteien streitig. Am Ende gab die Klägerin auf Veranlassung der Beklagten ein handschriftliches Schuldanerkenntnis über den Betrag von 80.000,00 DM ab. Noch während des Gespräches stellte der Zeuge … Kontakt zu dem Büro einer ortsansässigen Notarin, der Zeugin … her. Über wechselseitige Telefaxe wurde ein notarielles Schul...