Entscheidungsstichwort (Thema)

Weitergeltung einer Tarifanwendung aus betrieblichen Übung nach Betriebsübergang. Ausschluss eines Tarifwechsels bei inkongruenter Tarifbindung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine im Wege der betrieblichen Übung mit dem alten Inhaber vereinbarte Anwendung eines Tarifwerkes bindet gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 BGB auch den neuen Inhaber.

2. Ein Wechsel zu dem Tarifwerk des neuen Arbeitgebers gemäß § 613a Abs. 1 S. 3 BGB scheidet mangels kongruenter Tarifbindung aus, wenn der betroffene Arbeitnehmer nicht tarifgebunden ist.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 Sätze 1, 3, §§ 133, 151, 157, 242, 611a

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 23.04.2015; Aktenzeichen 4 Ca 1221/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.07.2018; Aktenzeichen 4 AZR 444/17)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 23.04.2015 - 4 Ca 1221/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, welches Tarifwerk auf ihr Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt.

Die Klägerin, welche nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, begründete mit Arbeitsvertrag vom 28.07.1978 mit Wirkung vom 01.09.1979 ein Arbeitsverhältnis als Krankenschwester mit dem Kreiskrankenhaus H (Anlage K1, Blatt 6 f Akte). Unter dem Datum 01.04.1991 vereinbarte die Klägerin mit dem Kreiskrankenhaus H folgendes (Anl. K2, Bl. 8 der Akte):

"Für das bereits bestehende Arbeitsverhältnis gilt der Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) Ost in der jeweilig gültigen Fassung ab 01.04.1991."

Unter dem Datum 01.07.1991/10.07.1991 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag ab (Blatt 270, 271 der Akte), der in den für den Rechtsstreit wesentlichen Passagen folgenden Wortlaut hat:

"...

§ 3

Für das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge in der z. Zeit geltenden Fassung und den dieses ergänzenden rechtlichen Bestimmungen Anwendung. Weiterhin sind die Bestimmungen des Einigungsvertrages und seiner Anlagen vom 31.08.1990 i.V.m. Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990 anzuwenden.

...

§ 5

Die Angestellte ist gemäß § 22 BAT-O in Vergütungsgruppe KR IV eingruppiert.

...

§ 7

Änderungen und Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages einschließlich der Nebenabreden sind gem. § 4 BAT-O nur wirksam, wenn Sie schriftlich vereinbart werden.

..."

Die Klägerin ist seitdem in dem zunächst von dem O bzw. dem diesen nachfolgenden Landkreis B als Eigenbetrieb geführten Kreiskrankenhaus in H, K, tätig.

Das Klinikum ging im Wege des Betriebsüberganges im Jahr 2007 an die S-Klinikum GmbH über.

Zunächst kamen auf die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der S-Klinikum GmbH die Bestimmungen des TVöD zur Anwendung. Mit Schreiben vom 20.08.2010 (Anl. K3, Bl. 9 der Akte) teilte das S-Klinikum GmbH der Klägerin mit, dass ihr Beschäftigungsverhältnis rückwirkend ab dem 01.01.2010 in den Konzern-Manteltarifvertrag (M-TV M/W/I Sana) übergeleitet werde und rückwirkend ab dem 01.07.2010 der Konzern-Entgelt-Tarifvertrag sowie damit verbundene haustariflichen Sonderregelungen wirksam würden. Mit weiterem Schreiben vom Oktober 2010 (Anl. K4, Bl. 10 der Akte) teilte die S-Klinikum GmbH der Klägerin nochmals mit, dass das Beschäftigungsverhältnis rückwirkend zum 01.01.2010 in die Tarifverträge des S-Konzerns übergeleitet werde, und führte in dem Schreiben nachfolgende Tarifverträge auf:

- Konzern-Mantel-Tarifvertrag (M-TV M/W/I S)

- Konzern-Entgelt-Tarifvertrag (E-TV M/W/I S)

- Konzern-Überleitung-Tarifvertrag (Ü-TV M/W/I S)

- Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung (TV-EUmw M/W/I S)

- Konzern-Tarifvertrag für Auszubildende (A-TV M/W/I S) bei Auszubildenden

- Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung (BFG-TV M/W/I S)

Mit Schreiben vom 28.10.2010 (Anlage K5, Bl. 11 f der Akte) informierte die S-Klinikum GmbH die Klägerin ein drittes Mal über die Überleitung des Beschäftigungsverhältnisses in die S TVe. Seitdem richtete sich das Arbeitsverhältnis nach diesen Tarifverträgen.

Aufgrund eines Asset Deals fand mit Wirkung zum 01.11.2013 ein weiterer Betriebsübergang statt, diesmal auf die Beklagte, welche damals unter "A Krankenhausgesellschaft B mbH" firmierte.

Die Beklagte betrieb bereits vor der Übernahme des "Ohreklinikums" in H, K, eine medizinische Einrichtung, nämlich ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Sie hatte am 28.03.2006 mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen Haustarifvertrag abgeschlossen, dessen Rubrum wie folgt lautet:

"Haustarifvertrag

(mit weitergeltenden Regelungen aus dem BAT-O)

zwischen dem

A Fachkrankenhaus H, K, H

vertreten durch die

Trägerschaft A Kliniken GmbH, K, H, diese vertreten durch die Geschäftsführerin, Frau M M

- einerseits -

und der

Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di,

vertreten durch die Landesbezirksleitung Sachsen-Anhalt,

N, M

- andererseits -

...

Weiter heißt es in diesem Tarifvertrag (im Folgenden A Haus-TV):

§ 1 Allgemeiner Geltungsbereich

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für ...

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