Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentlicher und hilfsweise ordentlicher Kündigung
Verfahrensgang
ArbG Magdeburg (Urteil vom 28.10.1997; Aktenzeichen 6 Ca 3156/97) |
Tenor
1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird dasUrteil desArbeitsgerichts Magdeburg vom28. Oktober 1997 – 6 Ca 3156/97 – abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die das beklagte Land gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 22. April 1997 ausgesprochen hat.
Der am … – 1949 geborene Kläger ist verheiratet und hat drei unterhaltsberechtigte Kinder. Er ist Hochschulforstingenieur und promovierte am 23. Oktober 1979 zum doctor verum silvaticarum. Nach Abschluss seines Studiums, seines Forschungsstudiums und seiner Assistententätigkeit an der Technischen Universität D. war der Kläger 1978/1979 im Forstbetrieb N. zunächst als Betriebsassistent, vom 1. August 1979 bis zum 31. Januar 1980 als Fachdirektor Ökonomie und vom 1. Februar 1980 bis zum 31. Dezember 1991 als Betriebsdirektor tätig. Seit dem 1. Januar 1992 ist der Kläger vollbeschäftigter Angestellter des beklagten Landes in der Funktion eines Sachgebietsleiters Forsteinrichtung im F. Sachsen-Anhalt (seit 01.01.1994 F. L. lt Sachsen-Anhalt). Seine Tätigkeit ist in die Vergütungsgruppe II a BAT-Ost eingruppiert. Die monatlichen Bezüge des Klägers beliefen sich zuletzt auf 5.500,00 DM brutto.
Unter dem Datum des 24. Januar 1991 verneinte der Kläger zunächst im Personalbogen unter Ziffer 16 die Frage nach einer Mitarbeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder des Amtes für nationale Sicherheit der DDR. Mit Schreiben vom 10. September 1991 offenbarte er allerdings gegenüber dem damaligen Leiter der F. folgendes:
„…, dass es in meinem bisherigen Leben Berührungen zu den Staatssicherheitsorganen gegeben hat: Ich hatte Kontakte als Schüler der erweiterten Oberschule und als Student. Aus dem Gedächtnis möchte ich den Zeitraum etwa von 1967 bis 1977 oder 1978 angeben. Ob ich seinerzeit etwas unterschrieben habe, entzieht sich meiner Erinnerung. Sicher bin ich mit dem heutigen Sprachgebrauch als informeller Mitarbeiter geführt worden. Nach meiner Vermittlung vom Studium nach N. wurden die Kontakte nochmals hergestellt. Sie hatten aber seit meinem Einsatz als Betriebsleiter eigentlich nur dienstlichen Charakter. Einige Male im Jahr wurde ich in meinem Büro aufgesucht und zu Problemen des Betriebes befragt. Höchstens drei bis viermal in all den Jahren habe ich, glaube ich, auch etwas aufgeschrieben. Für mich waren es dann Leitergespräche mit dieser Dienststelle. Es ging, soweit ich mich erinnere, um Exportprobleme, Diplomatenjagd, Probleme zu militärischen Objekten. Ich möchte aber nicht ganz ausschließen, dass ich doch noch als informeller Mitarbeiter geführt worden bin. …”
Mit schriftlichem Einzelbericht vom 13. Dezember 1996, beim Ministerium für … des beklagten Landes am 3. Februar 1997 eingegangen, teilte der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (künftig: BStU) mit, aus den bisher erschlossenen Unterlagen ergäben sich Hinweise auf eine inoffizielle Tätigkeit des Klägers im Staatssicherheitsdienst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, und zwar als inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit (IMS) unter Verwendung der Decknamen „Wolfgang Schäfer”, auch „S.” oder „…” von Februar 1968 bis November 1979 und „…”, auch „…” und „…” von November 1981 bis offen (Auflösung des Staatssicherheitsdienstes). Die Personalakte umfasse 210 Seiten. Die vorliegende Arbeitsakte umfasse 94 Seiten und betreffe lediglich den Zeitraum von 1981 bis 1989. Die Arbeitsakte über den Zeitraum vom 1968 bis 1979 sei bisher nicht aufgefunden worden. Nach der Darstellung des Staatssicherheitsdienstes seien dem Kläger während des Armeedienstes Aufträge zur Absicherung des Personalbestandes gegen Fahnenflucht sowie zur Absicherung des VS-Gebietes gegen Geheimnisverrat erteilt worden. Der Kläger habe in mündlicher und schriftlicher Form berichtet. Es lägen zehn handgeschriebene Berichte vor, die mit Decknamen unterzeichnet seien, eine Tonbandabschrift von einem mündlich erstatteten Bericht des Klägers als IMS sowie 32 Treffberichte der Führungsoffiziere und drei Treffberichte über offizielle Zusammentreffen mit dem Leiter, Direktor … Dr. T.. Der Kläger habe über politische Haltungen und Äußerungen einzelner Personen, deren Kontakte berichtet und dem Staatssicherheitsdienst in Bezug auf einige Personen seines Umfeldes empfohlen, diesen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. An Zuwendungen habe der Kläger Prämien in einer Gesamthöhe von 210,00 Mark der DDR, Bücher und Schallplatten im Wert von insgesamt 223,30 Mark der DDR und eine Kristallvase als offizielles Geschenk erhalten.
Dem Einzelbericht sind unter anderem Fotokopien der Verpflichtungserklärungen des...