Verfahrensgang

ArbG Stendal (Urteil vom 07.09.1994; Aktenzeichen 5 Ca 56/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.07.1996; Aktenzeichen 2 AZR 824/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stendal vom 07.09.1994 abgeändert und festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28.01.1994 nicht aufgelöst ist.

Von den Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin 9/100 und die Beklagte 91/100.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der beklagten Stadt ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung der Klägerin.

Die am 12.08.1960 geborene Klägerin, die ein unterhaltspflichtiges Kind zu versorgen hat, ist seit dem 01.08.1990 bei der beklagten Stadt bzw. deren Rechtsvorgängerin als Orchestermusikerin am Theater … mit einem monatlichen Bruttoverdienst von DM 3549,73 beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelarbeitsvertraglicher Vereinbarung (§ 4 des Arbeitsvertrages. Bl. 11 d.A.) der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 01.07.1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen Anwendung.

Bei der beklagten Stadt gibt es 2 Personalräte, einen Personal rat der Stadtverwaltung und einen Personalrat am TdA. Der Personalrat des … wurde gebildet, nachdem sich die Beschäftigten des Theaters am 28.03.1993 in einer Abstimmung für die Bildung eines eigenen Personalrates ausgesprochen hatten. Die Wahl zum Personalrat fand am 01./02.06.1993 statt. Einen Gesamtpersonalrat gibt es nicht.

Der Intendant des TdA ist nach seinem Dienstvertrag zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern berechtigt. Die inhaltliche Ausgestaltung und Festlegung der Spielpläne liegt im Verantwortungsbereich des Intendanten. Der Haushalt des … stellt einen Unterabschnitt im Gesamthaushalt der Stadt dar. Der Intendant ist aufgrund einer Dienstanweisung der beklagten Stadt vom 15.06.1993 (Bl. 124 d.A.) zur Ausübung der dem Dienststellenleiter obliegenden Aufgaben und Angelegenheiten nach dem LPVG befugt.

Am TdA waren Anfang 1993 über 220 Personen beschäftigt. Es handelte sich um die Hauptbereiche „Schauspiel”, „Musiktheater”, „Tanztheater” … und das aus über 50 Mitgliedern bestehende Orchester, das heißt, das Theater wurde bis zum Ende der Spielzeit 1993/1994 (31.07.1994) als sogenanntes Drei-Sparten-Theater mit Orchester geführt, wobei das Orchester die Musik- Tanz- und Schauspielaufführungen begleitete.

Am 10.05.1993 faßte die außerordentliche Stadtverordnetenversammlung in öffentlicher Sitzung mehrheitlich folgenden Beschluß (vgl. die Niederschrift vom 17.05.1993, Bl. 101 ff., 105 d.A.): „Das Theater … wird auf 100 Stellen ab der Spielzeit 1994/95 reduziert. Hierzu werden die Sparten Musik- und Tanztheater geschlossen. Die Stellenkürzungen sind, soweit ein Abbau auf 100 Stellen nicht allein durch Einsparungen im künstlerischen Bereich realisiert werden kann, auch in den übrigen Abteilungen durchzuführen. Das Theater … wird ab der Spielzeit 1994/95 als einspartiges Schauspieltheater betrieben.”

Bei dieser Beschlußfassung hielten sich die 3 Stadtverordneten … die zugleich Beschäftigte des TdA sind, im Zuschauerbereich des Ratssaales auf (vgl. die Anwesenheitsliste. Bl. 107 und 108 d.A.), wirkten dabei aber weder beratend noch entscheidend mit.

In einer gemeinsamen Beratung am 13. Mai 1993 zwischen der Intendanz und dem Personalrat des … TdA wurde das Ende der Spielzeit 1993/94 einvernehmlich auf den 31.07.1994 festgesetzt. Dabei informierte die Theaterführung die Personalratsmitglieder über den Verkleinerungsbeschluß der Stadtverordnetenversammlung und erörterte zugleich die soziale Tragweite der damit verbundenen auszusprechenden Kündigungen. Einwände brachte der Theaterpersonalrat innerhalb von 10 Arbeitstagen nicht vor.

Über die beabsichtigte ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin zum 31.07.1994 auf der Grundlage des Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom 10. Mai 1993 wurde der Personal rat mit Anhörungsschreiben vom 30.11.1993 (Bl. 30 d.A.) – auf dessen Inhalt Bezug genommen wird – informiert. Den Anhörungsbogen erhielt der Personalratsvorsitzende am 03.12.1993. Mit Schreiben vom 16.12.1993 (Bl. 30 R d.A.), der beklagten Stadt zugegangen am 17.12.1993, widersprach der Theaterpersonalrat der geplanten Kündigung der Klägerin. In einer beigefügten Anlage (Bl. 31 d.A.) war als Begründung dafür angegeben:

  1. „Der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 10.05.1993 über die Auflösung von Musik- und Tanztheater zum 31.07.1994 beruht darauf, daß der Bürgermeister die Stadtverordneten unrichtig über die Wirkung des TVK informiert hat. Insbesondere war falsch, daß die Orchestermusiker in ein beamtenähnliches Verhältnis übergingen, würde ihnen zum 31.07.1994 nicht gekündigt.

    Die Frage der Schließung des Tanztheaters hat sich aus personellen Gründen...

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