Entscheidungsstichwort (Thema)

Streichung von Stellen im Haushaltsplan. Kw-Vermerk als betrieblicher Kündigungsgrund

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigende Entschluss den Betrieb stillzulegen, muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits gefasst sein. Daran fehlt es, wenn zu diesem Zeitpunkt noch ernsthaft über die Veräußerung des Betriebs verhandelt und deswegen nur vorsorglich mit der Begründung gekündigt wird, der Betrieb solle nur stillgelegt werden, falls eine Veräußerung scheitere. Kommt es dann innerhalb der Kündigungsfrist noch zu einem Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, so spricht eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht des Unternehmers im Zeitpunkt der Kündigung.

2. Das Ausbringen eines kw-Vermerks bezüglich einer Personalstelle in einem Haushaltsplan stellt noch kein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG dar, wenn keine Frist für den Wegfall der Stelle angegeben wird.

3. Ein betriebsbedingtes Erfordernis für eine Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG ist dagegen anzunehmen, wenn im öffentlichen Dienst durch den Haushaltsplan bestimmte, nach sachlichen Merkmalen bezeichnete Stellen gestrichen oder organisatorische Maßnahmen getroffen werden, aufgrund derer bestimmte Stellen entfallen, z.B. eine Stellenstreichung im Haushaltsplan aufgrund eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 613a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Urteil vom 11.09.2003; Aktenzeichen 4 Ca 1229/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 11.9.2003 – 4 Ca 1229/03 – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der beklagten Stadt vom 28. Februar 2003 nicht beendet worden ist.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Arbeiterin in der Lohngruppe 1 a BMTG-O weiterzubeschäftigen.

2. Die beklagte Stadt trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten insbesondere über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung der beklagten Stadt gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 28.2.2003 zum 30.9.2003. In dem vorgenannten Kündigungsschreiben heißt es u.a.:

„… Ordentliche Kündigung

Sehr geehrte Frau B.

auf der 58. (III) Sitzung des Stadtrates am 12.12.2002 wurde die Anbringung von kw-Vermerken zum 30.6.2003 im Stellenplan 2003 für die von der Vergabe der Leistungen für Reinigung, Essenausgabe und Küchenarbeiten an private Dienstleister betroffenen Stellen beschlossen.

Alle noch vorhandenen Stellen Reinigungskräfte, Reinigungskräfte mit Essenausgabe, Küchenhilfen und Küchenhilfen mit Zuarbeit und Reinigung fallen zum 30.6.2003 weg.

Ich kündige daher Ihr Arbeitsverhältnis gemäß § 622 BGB und nach ordnungsgemäßer Beteiligung des zuständigen Personalrates zum 30.9.2003.

Nach Vergabe der Leistungen, voraussichtlich im Mai 2003, wird Ihnen ein Weiterbeschäftigungsangebot bei einem privaten Dienstleister unterbreitet. Sofern Sie das Angebot annehmen, werde ich die Kündigung zurücknehmen. In diesem Fall wird Ihr Arbeitsverhältnis durch Personalüberleitungsvertrag mit den beschäftigungssichernden Folgen des § 613 a BGB auf den privaten Anbieter übergeleitet. …”

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 11.9.2003 – 4 Ca 1229/03 – auf den Seiten 2–5 (Bl. 95–98 d.A.) Bezug genommen.

Der Tenor dieses Urteils lautet:

„Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auf 3.105,00 EUR festgesetzt.”

Wegen der Entscheidungsgründe der vorgenannten Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 11.9.2003 wird auf dessen Seiten 5–10 (Bl. 98–103 d.A.) Bezug genommen.

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 16.9.2003 zugestellt, die dagegen am 2.10.2003 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.12.2003 – am 16.12.2003 begründet hat.

Bezüglich des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf deren Berufungsbegründungsschriftsatz vom 16.12.2003 (Bl. 125–134 = 135–144 d.A.) verwiesen.

Wegen der zweitinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf das Protokoll über die Berufungsverhandlung vom 21.4.2004 (Bl. 189 d.A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des zweitinstanzlichen Vorbringens der beklagten Stadt wird auf deren Berufungserwiderung vom 11.2.2004 nebst Anl. (Bl. 153–172, 173–178 d.A.) Bezug genommen.

Bezüglich der in der Berufungsverhandlung am 21.4.2004 von den Parteien abgegebenen Erklärungen wird auf das vorgenannte Sitzungsprotokoll verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerech...

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