Verfahrensgang
ArbG Magdeburg (Urteil vom 27.09.1994; Aktenzeichen 10 Ca 189/94) |
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen dasUrteil desArbG Magdeburg vom27.09.1994 – 10 Ca 189/94 – wird auf Kosten des Landes zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die das beklagte Land wegen unzutreffender Angaben des Klägers über eine frühere Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (MfS) ausgesprochen hat.
Der 1940 geborene Kläger, verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet, war seit 1963 in der ehemaligen DDR als Lehrer tätig. Nach dem Beitritt wurde er in den Dienst des beklagten Landes übernommen und arbeitete zuletzt als Fachlehrer für Wirtschaft, Technik und Hauswirtschaft an einer Sekundarschule zu einem Bruttomonatseinkommen von 4.900,00 DM.
Am 08.05.1991 verneinte der Kläger im Rahmen einer Selbstauskunft anläßlich der Übernahme in den Landesdienst die Frage danach, ob er Mitarbeiter des MfS oder Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) war. Am gleichen Tage versicherte er in einem ihm vorgelegten Bewerbungsbogen „nach bestem Wissen und Gewissen”, daß er „kein Mitarbeiter oder Informant des ehemaligen MfS/AfNS gewesen sei, keine Gelder von diesen Institutionen erhalten und bewußt auch keine Informationen denunzierenden Charakters zur Verwendung durch das MfS/AfNS gegeben” habe.
Mit Schreiben vom 04.11.1993 erteilte der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes (Gauck-Behörde) dem beklagten Land auf dessen Anfrage Auskunft über den Kläger, die am 06.12.1993 vom Ministerium an das Regierungspräsidium Magdeburg weitergeleitet wurde. Danach war der Kläger in der Zeit vom 03.05.1975 bis 11.01.1979 als IMK/DA (Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration/Deckadresse) unter dem Decknamen … aufgrund einer persönlichen Verpflichtungserklärung registriert. In der Verpflichtungserklärung hatte er sich dazu bereit erklärt, Postsendungen aus der BRD, Westberlin und dem kapitalistischen Ausland für das MfS in Empfang zu nehmen und darüber Stillschweigen zu wahren (vgl. Bl. 41 d.A.).
Die Postsendungen dienten der Aufrechterhaltung der Verbindung zu inoffiziellen Kräften in diesen Ländern. In der Zeit von August 1975 bis Mai 1976 war die Deckadresse laut Gauckauskunft sechzehnmal zur Übermittlung von Positionsmeldungen aus dem Operationsgebiet (= nichtsozialistisches Ausland) genutzt worden.
In einem daraufhin anberaumten Personalgespräch vom 13.12.1993 bestätigte der Kläger den Sachverhalt und gab an, daß er anstelle seiner eigentlich vom MfS angegangenen Ehefrau die Verpflichtungserklärung unterzeichnet habe/um seine Ehefrau davor zu verschonen. Bei Ausfüllung der Personalunterlagen im Jahre 1991 sei ihm nicht bewußt gewesen, daß er Mitarbeiter des MfS gewesen sei. Erst später sei ihm eingefallen, daß er Briefe und Postkarten aus der BRD entgegengenommen und ungeöffnet weitergegeben habe. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsprotokolls vom 13.12.1993 wird auf Bl. 72, 73 d.A. Bezug genommen.
Mit Schreiben des amtierenden Dezernatsleiters für Lehrerpersonalien beim Regierungspräsidenten vom bat das beklagte Land den Lehrerbezirkspersonalrat (LBPR) um Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung (Bl. 43 d.A.). Noch am gleichen Tag teilte der LBPR mit, daß er sich zu den beabsichtigten Kündigungen nicht äußern wolle.
Mit Schreiben vom 16.12.1993, dem Kläger zugegangen am 20.12.1993 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin (Bl. 10 – 12 d.A.).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 10.01.1994 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangenen Klage. Er hat geltend gemacht, daß ein Kündigungsgrund nicht bestehe. Er sei weder hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS noch Informant gewesen, sondern habe nur eine begrenzte Zeit Postsendungen aus dem nichtsozialistischen Ausland in Empfang genommen und ungeöffnet weitergeleitet. Demgemäß habe er bei Ausfüllung der Fragebögen nicht davon ausgehen können, Mitarbeiter des MfS zu sein. Die geringfügige Tätigkeit habe er zudem nach nahezu 16 Jahren vergessen. Die außerordentliche Kündigung sei außerdem verspätet ausgesprochen worden, da die Gauck-Auskunft dem beklagten Land nicht erst am 06.12.1993 zugegangen sei. Schließlich sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Es fehle bereits an der ordnungsgemäßen Einleitung des Anhörungsverfahrens, auch sei der Personalrat nicht ausreichend unterrichtet und letztendlich die Kündigung vor Ablauf der Fristen zur Stellungnahme ausgesprochen worden.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 16.12.1993 noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom selben Tage beendet worden ist,
- das beklagte Land zu verurteile...