Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit interner Betriebsratswahlen bei Ladung falscher Ersatzmitglieder zur Betriebsratssitzung
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG hat der Betriebsratsvorsitzende für den Fall der Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds nicht irgendein sondern "das" entsprechende Ersatzmitglied zu lasen. Die Reihenfolge der zu ladenden Ersatzmitglieder folgt zwingend aus § 25 Abs. 2 BetrVG und ist nicht dispositiv.
2. Die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben hat Vorrang vor derjenigen aus dem Arbeitsvertrag, sodass Betriebsablaufstörungen, die durch die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung bedingt sind, keinen Verhinderungsgrund i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG darstellen.
Normenkette
BetrVG § 19 Abs. 1, § 25 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 27 Abs. 1 S. 3, § 28 Abs. 1 S. 2, § 29 Abs. 2 S. 6, § 38 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 09.05.2012; Aktenzeichen 4 BV 98 a/11) |
Tenor
1.
Die Beschwerde des Betriebsrates (Beteiligter zu 5) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 09.05.2012, Az. 4 BV 98 a/11, wird zurückgewiesen.
2.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit von internen Wahlen des Betriebsrats.
In dem Betrieb der Beteiligten zu 6) (künftig: Arbeitgeberin) ist der Beteiligte zu 5) (künftig: Betriebsrat) gewählt, der aus 11 Mitgliedern besteht, davon eine Frau. Bei der Betriebsratswahl entfielen fünf Mitglieder auf die Liste "T. Betriebsräte Kompetenz im Betrieb" (Liste 1, Bl. 7 d.A.), ein Mitglied auf die Liste "Basisbetriebsräte" (Liste 2, Bl. 8 d.A.), zwei Mitglieder auf die Liste "Verkehrsgewerkschaft G. - Wir im Betrieb" (Liste 3, Bl. 8 d.A.) und drei Mitglieder auf die Liste "Freie Wählergemeinschaft Schleswig-Holstein" (Liste 4, Bl. 9 d.A.). Die antragstellenden Beteiligten zu 1) bis 4) (künftig: Antragsteller) sind Mitglieder des Betriebsrates.
Am 04.11.2000 fand eine Sondersitzung des Betriebsrats statt. In dieser Sitzung wurden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder sowie Betriebsratsmitglieder für den Betriebsausschuss gemäß § 27 BetrVG sowie die Arbeitsausschüsse gemäß § 28 BetrVG gewählt. Für die Liste 1 waren anwesend die Betriebsratsmitglieder H., C., K. und K.. Für das erkrankte Betriebsratsmitglied H. D. (Antragstellerin zu 4) erschien das der Reihenfolge nach zweite weibliche Ersatzmitglied von der Liste 1. Das erste weibliche Ersatzmitglied von der Liste 1, Frau M. B., hatte zum Zeitpunkt der Sondersitzung Dienst. Ferner nahmen von der Liste 2 der Betriebsratsvorsitzende M., von der Liste 3 die gewählten Betriebsratsmitglieder K. B. (Antragsteller zu 2) und M. T. an der Sondersitzung teil. Von der Liste 4 waren die Betriebsräte S. (Antragsteller zu 1), H. und für den erkrankten Betriebsrat T. (Antragsteller zu 3) das Ersatzmitglied J. (lfd. Nr. 6 der Liste 4) anwesend. Der Reihenfolge nach war das erste Ersatzmitglied der Liste 4 Frau A. L. (lfd. Nr. 4) und das zweite Ersatzmitglied Herr G. (lfd. Nr. 5), die beide am 04.11.2011 zum Dienst eingeteilt waren.
Unter Punkt 2 war hierzu in der Sitzungsniederschrift vermerkt (Bl. 11 d.A.):
"Frage R. S.: warum wurde M. B. nicht zur heutigen Sondersitzung geladen? Antwort B. H. Kollegin M. B. konnte laut Aussage von BzL Herrn L., (Vertretung für PEP H. S.) nicht abgelöst werden. Nächstes Ersatzmitglied der Frauen ist L. S., nach Rücksprache mit ihr war sie bereit an ihrem Ruhetag zur Sitzung zu kommen"
Auf der Sondersitzung wählten die anwesenden Betriebsratsmitglieder die drei freizustellenden Betriebsratsmitglieder sowie die Mitglieder für den Betriebsausschuss und weiterer Ausschüsse. Hinsichtlich der Listenwahlvorschläge und des Wahlergebnisses wird auf Seiten 2-8 der Niederschrift der Sondersitzung verwiesen (Bl. 12-18 d.A.).
Mit der am 17.11.2011 beim Arbeitsgericht eingegangen Antragsschrift haben die vier antragstellenden Betriebsräte die Wahlen angefochten.
Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten,
der Betriebsrat sei bei den Beschlussfassungen nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Anstelle der krankheitsbedingt verhinderten Betriebsrätin D. hätte das nächste weibliche Ersatzmitglied von der Liste 4, Frau M. B. geladen werden müssen.
Die Antragsteller zu 1) bis 4) haben beantragt,
1.
festzustellen, dass die am 04.11.2011 durchgeführte Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder B. H., U. M., R. S. unwirksam ist;
2.
festzustellen, dass die am 04.11.2011 durchgeführte Wahl von drei Mitgliedern in den Betriebsausschuss gemäß § 27 BetrVG, M. C., E. G. K. und R. S. sowie deren Vertreter H. A. K., M. T. und S. T. unwirksam ist;
3.
festzustellen, dass die am 04.11.2011 durchgeführte Wahl der drei Mitglieder in den Personalplanungsausschuss, U. M., B. H., R. S., unwirksam ist;
4.
festzustellen, dass die am 04.11.2011 durchgeführte Wahl des Vorsitzenden des Personalplanungsausschusses, U. M., unwirksam ist;
5.
festzustellen, dass die am 04.11.2011 durchgeführte Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden des Personalplanungsausschusses, B. H.,...