Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung. Gerichtsgebühren. Vergleichsmehrwert. Bestandsschutz. Allgemeiner Feststellungsantrag. Wertaddition
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird neben einem Antrag nach § 4 KSchG ein solcher nach § 256 Abs. 1 ZPO gestellt, so findet grundsätzlich keine Streitwertaddition statt.
2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen wurden und liegt ihnen ein identischer Kündigungssachverhalt zugrunde, so ist die zeitlich erste Kündigung abhängig von der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit bis zu drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten. Die weiteren angegriffenen Kündigungen wirken sich dagegen nicht gegenstandswerterhöhend aus.
Normenkette
ZPO §§ 3, 5, 256; GKG § 39 Abs. 1, § 42 Abs. 4; KSchG § 4; GewO § 109
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 19.03.2009; Aktenzeichen 2 Ca 14/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts K. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.03.2009 – 2 Ca 14/09 – teilweise abgeändert.
Der für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebende Wert wird für den Vergleich auf 8.788,18 EUR festgesetzt.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Parteien stritten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses. Der Kläger war seit 04.02.2008 als Kraftfahrer bei der S. GmbH (Gemeinschuldnerin) beschäftigt. Die Gemeinschuldnerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22.12.2008 fristlos. Im Kündigungsschreiben nannte sie als Grund hierfür das beantragte Insolvenzverfahren.
Der Kläger erhob am 05.01.2009 Klage beim Arbeitsgericht Lübeck mit den Anträgen,
„festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 22.12.2008 nicht
aufgelöst ist;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
- für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. bei Scheitern der Güteverhandlung oder bei Säumnis der Beklagten diese zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kraftfahrer bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.”
Der vorläufige Insolvenzverwalter sprach mit Schreiben vom 29.01.2009 höchst vorsorglich eine ordentliche Kündigung zum 28.02.2009 aus. Zur Begründung berief er sich auf dringende betriebliche Erfordernisse. In dem Kündigungsschreiben bestätigte er überdies, dass das Arbeitsverhältnis entgegen dem missverständlichen Wortlaut des Kündigungsschreibens der Gemeinschuldnerin vom 22.12.2008 mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ende. Die Kündigung vom 29.01.2009 griff der Kläger nicht mit einem gesonderten Antrag nach § 4 KSchG an.
Im Gütetermin am 02.02.2009 schlossen die Parteien folgenden Vergleich:
- „Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat aufgrund fristgemäßer Kündigung der Beklagten aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 31.01.2009 geendet.
- Die Beklagte erteilt dem Kläger ein qualifiziertes berufsförderndes Zeugnis mit einer „guten” abschließenden Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Weiterhin wird eine „Bedauern- und Bedankensformel” am Ende des Zeugnisses aufgenommen.
- Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger eine Abrechnung für den Monat Dezember 2008 sowie für den Monat Januar 2009 zu erteilen.
- Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.”
Der Beschwerdeführer beantragte im Gütetermin Streitwertfestsetzung.
Mit Beschluss vom 19.03.2009 setzte das Arbeitsgericht den für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Wert auf 7.532,73 EUR fest. Den Antrag zu 1. bewertete es mit 2 Bruttomonatsgehältern und den Antrag zu 2. mit einem Bruttomonatsgehalt. Einen Vergleichsmehrwert setzte das Arbeitsgericht nicht fest.
Gegen den ihm am 19.03.2009 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts legte der Beschwerdeführer am 01.04.2009 Beschwerde ein. Er meint, der Antrag zu 2. sei mit 2 Monatsgehältern zu berücksichtigen und der Antrag zu 1. mit 2,25 Monatsgehältern. Der Vergleichsmehrwert betrage ein Bruttomonatsgehalt.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts war dahingehend abzuändern, dass ein um 1.255,45 EUR erhöhter Vergleichswert festzusetzen war.
1. Bei der Bewertung der Klaganträge zu 1. und 2. hat sich das Arbeitsgericht im Rahmen des ihm nach § 3 ZPO
zustehenden Ermessens gehalten.
a) Der Kündigungsschutzantrag ist gemäß § 42 Abs. 4 S. 1 GKG in typisierender Betrachtungsweise und in Abhängigkeit von der Bestandsdauer des Arbeitsverhältnisses im Kündigungszeitpunkt mit bis zu 3 Bruttomonatsgehältern zu bewerten (vgl. LAG Schleswig-Holstein 29.04.2008 – 2 Ta 85/08 –). Bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von bis zu 6 Monaten ist grundsätzlich ein Monatsverdienst, bei einem Bestand von 6...