Entscheidungsstichwort (Thema)
Negative Koalitionsfreiheit. Vereinbarung. Betriebsrat. Arbeitgeberverband. Mitgliedschaft. Dauer. Personalüberleitungsvertrag mit Mitgliedschaftsgarantie im Arbeitgeberverband
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Arbeitgeber kann sich nicht rechtswirksam gegenüber einem Betriebsrat/Personalrat zur dauerhaften Beibehaltung seiner Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband verpflichten.
2. Die ausdrückliche Verpflichtung eines Arbeitgebers in einem Tarifvertrag, die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft in einem bestimmten Arbeitgeberverband zu garantieren, verstößt gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Der Arbeitgeber verliert dadurch seine grundrechtlich garantierte und unverzichtbare Freiheit aus einem Verband auszutreten.
3. Regelungen, Abreden und Vereinbarungen, z.B. zwischen Arbeitgebern und Betriebs- oder Personalräten, die die Garantie der Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft in einem bestimmten Arbeitgeberverband zum Gegenstand haben, sind mit Art. 9 Abs. 3 S. 1 und 2 GG unvereinbar und daher unwirksam.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3 Sätze 2-3
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 24.05.2005; Aktenzeichen 6 BV 12/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.5.2005 – 6 BV 12/05 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) aufgrund eingegangener Vereinbarungen auf Dauer Vollmitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes (KAV) … e.V. sein muss.
Bis zum 01.01.2002 betrieb der Kreis … eine Klinik in B. und Pflegezentren in A. und R.. Den Arbeitsverhältnissen der Mitarbeiter lagen die Tarifbedingungen des BAT/BMTG zugrunde. Es existierte ein Personalrat.
Die Arbeitgeberin übernahm mit Wirkung vom 01.01.2002 diese Klinik und die oben genannten Pflegezentren. Der Beteiligte zu 1)/Beschwerdeführer (im Folgenden: Betriebsrat) ist der hierfür gewählte Betriebsrat.
In Vorbereitung des Betriebsüberganges schlossen der Kreis …, der Arbeitgeber sowie der damals zuständige Personalrat mit Datum vom 30.09.2001 einen Personalüberleitungsvertrag (PÜV) (Anlage ASt 1 – Bl. 7-28 d. A.). Ebenso kam zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft ver.di am 24.10.2001 ein Personalüberleitungstarifvertrag (PÜTV) zustande (Anlage ASt 2 – Bl. 29-35 d. A.).
Während § 1 Ziff. 1 des PÜV die Tatsache des Betriebsüberganges an sich festschreibt, heißt es in § 1 Ziff. 2 Abs. 2 PÜV u. a. wie folgt:
§ 1
Gegenstand und Grundsatz
…
2.
Die Vereinbarung hat das Ziel, …, die Mitarbeiterinnen so zu stellen, dass sie durch die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses keine nachteiligen Veränderungen in den arbeitsrechtlichen und sonstigen für sie bisher geltenden Regelungen erleiden. Dazu bleiben alle bisherigen Regelungen und Vereinbarungen in Kraft und es sind insbesondere alle bisherigen Rechtsvorschriften und tatsächlichen Verfahrensweisen, die bisher geltenden Tarifregelungen und die vom bisherigen Dienstherrn bzw. bisherigen Arbeitgeber abgeschlossenen dienststelleninternen/betrieblichen Vereinbarungen fortzuführen. …” (Bl. 8 d. A.).
§ 3 regelt die Besitzstandswahrung. In § 4 Ziff. 1 heißt es dann u. a. wie folgt:
§ 4
Eintritt in die Arbeitsverträge sowie in sonstige Regelungen
In Ergänzung und Konkretisierung der für die Überleitung geltenden gesetzlichen Bestimmungen wird zudem vereinbart:
1.
Der Übernehmer steht dafür ein, dass den Mitarbeiterinnen durch die Übernahme der drei Betriebe keine Rechtsnachteile entstehen und es werden die bisherigen gesetzlichen Regelungen, soweit sie auch bisher Anwendung fanden, Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung, Dienstvereinbarungen, Arbeitsverträge und sonstige Regelungen oder Vereinbarungen durch den Übernehmer weiter angewendet. … (Bl. 11. d. A.).
In § 7 Ziff. 1 trifft der PÜV u. a. folgende Regelung:
§ 7
Mitgliedschaften
1.
Der Übernehmer verpflichtet sich, bis zum Stichtag gegenüber den anderen Vertragspartnern die Mitgliedschaft in einem kommunalen Arbeitgeberverband und die Beteiligung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) oder einer anderen Zusatzversorgungskasse des öffentlichen Dienstes (ZVK), welche Überleitungsregelungen mit der VBL abgeschlossen hat, nachzuweisen und sich zu verpflichten, es für die Dauer seines Bestehens zu bleiben. … (Bl. 13 d. A.).
§ 9 des PÜV enthält eine umfassende Versorgungsvereinbarung. Dort heißt es u. a. wie folgt:
§ 9
Versorgungsvereinbarung
…
2.
Hinsichtlich der für die Mitarbeiterinnen des Klinikums und der Alten- und Pflegeheime bei der VBL abgeschlossenen Zusatzversicherung steht der Übernehmer sowohl dem Kreis wie den einzelnen Mitarbeiterinnen – im Wege eines echten Vertrages zugunsten Dritter – dafür ein, dass den Mitarbeiterinnen, sollte die Zusatzversicherung nicht bei der VBL bestehen bleiben, keine Nachteile in der Zusatzversorgung entstehen. Als Nachteil gilt nicht die gem. Ziff. 3 vorgegebene Alternative zu...