Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Wahl zur Konzernschwerbehindertenvertretung bei fehlendem Konzernbetriebsrat
Leitsatz (redaktionell)
Ist im Konzern kein Konzernbetriebsrat gewählt, kann keine Konzernschwerbehindertenvertretung gewählt werden. Dies ist eine eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers, der einen grundsätzlichen Gleichklang zwischen den übergreifenden Vertretungen der Betriebsverfassung einerseits und den eigenständigen Interessen der schwerbehinderten Beschäftigten andererseits vorsieht.
Normenkette
SGB IX a.F. § 97 Abs. 2 S. 1; SGB IX § 180 Abs. 2 S. 1; SchwVWO § 2 Abs. 4; AktG § 18 Abs. 1; BetrVG § 54
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 02.06.2017; Aktenzeichen 3 BV 3a/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 02.06.2017 - 3 BV 3a/17 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Wahl zur Konzernschwerbehindertenvertretung.
Die Beteiligte zu 1. (Antragstellerin) betreibt mehrere Fachkliniken in B. S.. Sie und sechs weitere Gesellschaften (Beteiligte zu 3. - 8.) bilden eine Unternehmensgruppe. Ob die Gruppe die Anforderungen an einen Konzern im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG erfüllt, ist zwischen den Beteiligten im zweiten Rechtszug streitig geworden.
Die Antragstellerin und die Beteiligten zu 3. - 8. unterhalten jeweils einen Betrieb. Bei der Antragstellerin und den Beteiligten zu 3. - 5. sind Betriebsräte gewählt, bei den Beteiligten zu 6. - 8. nicht. Gesamtbetriebsräte oder ein Konzernbetriebsrat bestehen nicht.
Bei der Antragstellerin sind rund 60 Schwerbehinderte bzw. Gleichgestellte beschäftigt. Am 28.10.2014 wurde Frau Ch. Sch. zur Vertrauensperson der Schwerbehinderten im Betrieb der Antragstellerin gewählt. Neben dieser Schwerbehindertenvertretung (Beteiligte zu 9.) sind auch bei den Beteiligten zu 3. und 4. Schwerbehindertenvertretungen gewählt (Beteiligte zu 10. und 11.). Bei der Beteiligten zu 4. fand die Wahl am 21.06.2017 statt.
Mit Schreiben vom 21.02.2017 (Anlage Ast 2 = Bl. 5a der Akte) teilte Frau Sch. der Antragstellerin mit, auf der Versammlung der Schwerbehindertenvertretungen der Antragstellerin sowie der Beteiligten zu 3. hätten diese beiden Schwerbehindertenvertretungen sich gemäß § 22 Abs. 2 Wahlordnung Schwerbehindertenvertretungen (SchwbVWO) über die Konzernschwerbehindertenvertretung geeinigt und damit die Beteiligte zu 2. errichtet. Frau Sch. sei zur Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen dieser Vertretung bestimmt worden.
Die Antragstellerin hat mit am 06.03.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenem Antrag Feststellung begehrt, dass die Wahl der Konzernschwerbehindertenvertretung unwirksam ist. Hintergrund der Errichtung der Konzernschwerbehindertenvertretung sei, dass Frau Sch. vollständig für die Tätigkeit als Vertrauensperson freigestellt werden wolle. Die Wahl einer Konzernschwerbehindertenvertretung setze aber zwingend das Bestehen eines Konzernbetriebsrates voraus. Die Wahl sei auch deshalb unwirksam, weil § 2 Abs. 4 SchwbVWO nicht beachtet worden sei. Betriebsrat und Arbeitgeberin hätten nicht erörtert, wie viele stellvertretende Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung zu wählen seien.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Wahl zur Konzernschwerbehindertenvertretung (Beteiligte zu 2.) vom 20.02.2017 unwirksam ist.
Die Beteiligte zu 2. hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Die Beteiligte zu 2. hat die Auffassung vertreten, dass § 97 Abs. 2 S. 1 SGB IX (seit 01.01.2018: § 180 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) bei Bestehen eines Konzernbetriebsrats dazu verpflichte, eine Konzernschwerbehindertenvertretung zu wählen; wenn ein Konzern existiere, jedoch kein Konzernbetriebsrat, es aber genügend Wahlberechtigte bzw. Schwerbehindertenvertretungen gebe, müsse zwar keine, es könne aber eine Konzernschwerbehindertenvertretung gewählt werden. Entscheidend sei nicht die betriebsverfassungsrechtliche Repräsentation der Beschäftigten im Betrieb. Die Regelungen für die Errichtung von Schwerbehindertenvertretungen bestünden unabhängig hiervon und gingen über die Repräsentationsstruktur der Betriebs- und Dienststellenverfassung hinaus. Die Schwerbehindertenvertretung sei eine rechtlich vom Betriebs- und Personalrat unabhängige Sondervertretung, die unstreitig auch gebildet werden könne, wenn es einen Betriebs- oder Personalrat nicht gebe. Wenn hinreichend viele Schwerbehindertenvertretungen in den Betrieben eines Konzerns existierten, entschieden sie, ob sie eine Repräsentation der Schwerbehindertenvertretung auf Konzernebene schaffen wollten. Dabei hingen sie nicht vom Willen der Betriebsratsgremien ab, einen Konzernbetriebsrat zu errichten oder nicht.
Die Beteiligte zu 2. hat gemeint, ein Verstoß gegen § 2 Abs. 4 SchwbVWO führe nicht zur Unwirksamkeit der Wahl, denn es handele sich um eine bloße Ordnungsvorschrift.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin entsprochen. Die Voraussetzungen für die Wahl einer ...