Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Einsetzbares Vermögen. Abfindung als Vermögen. Schonbetrag
Leitsatz (redaktionell)
Gemäß § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei zur Prozessführung u.a. ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Zum Vermögen i.S.v. § 115 ZPO gehören grundsätzlich auch Abfindungen, die nach einem Kündigungsschutzprozess aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs gezahlt werden. Von der tatsächlich zugeflossenen Nettoabfindung muss der Prozesspartei allerdings ein sog. „Schonvermögen” i.S.v. § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII verbleiben.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 3, § 120 Abs. 4; SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 9
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Beschluss vom 19.06.2010; Aktenzeichen 1 Ca 696/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 19.06.2010 – 1 Ca 696/10 – in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 20.10.2010 dahingehend abgeändert, dass die Klägerin keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten braucht.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Tatbestand
I.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Anordnung, dass sie die Kosten der Führung des Rechtsstreits aus ihrer Abfindung zu tragen hat.
Die Prozessparteien haben vor dem Arbeitsgericht Flensburg einen Kündigungsrechtsstreit geführt. In dessen Verlauf wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten ohne Ratenzahlungsanordnung mit Beschluss vom 29.06.2010 bewilligt. Die Klägerin erhielt zu diesem Zeitpunkt eine monatliche Vergütung von 927,12 EUR netto und hatte eine Warmmiete in Höhe von 549,37 EUR zu zahlen. Ferner besteht gegenüber ihrem Sohn eine Kreditverbindlichkeit, weil dieser Ende der 90er Jahre 25.000,– DM aufgrund einer übernommenen Bürgschaft für die Klägerin an eine Sparkasse gezahlt hat.
Der Kündigungsrechtsstreit endete durch einen gerichtlichen Vergleich, in dessen Ziffer 2 geregelt ist, dass die Beklagte an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 9.500,– EUR brutto zu zahlen hat (Bl. 11 R der PKH-Akte). Der Klägerin ist nach Abzug von Steuern eine Abfindungszahlung in Höhe von rund 7.143,– EUR netto zugeflossen.
Das Gericht hat Verfahrenskosten in Höhe von insgesamt 983,87 EUR festgesetzt. Es hat nach Anhörung der Klägerin mit Beschluss vom 16.09.2010 den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss vom 29.06.2010 dahingehend abgeändert, dass die Klägerin die Prozesskosten in voller Höhe aus ihrer Abfindung an die Landeskasse zu zahlen hat. Gegen diesen am 24.09.2010 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 18.10.2010 Beschwerde eingelegt. Sie hält die auferlegte Beteiligung an den Prozesskosten unter Hinweis auf ihre aktuellen Einkommensverhältnisse für unzumutbar. Sie weist darauf hin, dass sie ausschließlich Arbeitslosengeldbezug in Höhe von 546,90 EUR brutto monatlich erhält, Tilgungszahlungen auf das von ihrem Sohn erhaltene Darlehen zu erbringen hat, reale Mietkosten in Höhe von 549,37 EUR anfallen und sich bei einem Lebensalter von 62 Jahren und nicht vorhandenem Pkw Dauerarbeitslosigkeit abzeichnet.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallsituation ist es der Klägerin im vorliegenden Fall unzumutbar, mit dem ihr nach Erhalt des Abfindungsbetrages zur Verfügung stehenden Geldvermögen die Kosten des geführten Rechtsstreits zu zahlen.
1. Gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Eine derartige Änderung ist vorliegend dadurch eingetreten, dass die Klägerin in Vollzug des gerichtlichen Vergleichs eine Abfindung in Höhe von 9.500,– EUR brutto bzw. 7.143,– EUR netto erhalten hat.
Gemäß § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei u. a. zur Prozessführung ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Zum Vermögen in diesem Sinne gehören grundsätzlich auch Abfindungen, die nach einem Kündigungsschutzprozess aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs gezahlt werden (BAG vom 24.04.2006 – 3 AZB 12/05 – zitiert nach Juris; LAG Schleswig-Holstein vom 16.02.2006 – 2 Ta 6/06 – zitiert nach Juris). Von der tatsächlich zugeflossenen Nettoabfindung muss der Prozesspartei allerdings ein sogenanntes „Schonvermögen” im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 2 Ziffer 9 SGB XII und der hierzu erlassenen Verordnung verbleiben. Das sind bei Personen, die anderen nicht unterhaltspflichtig sind, Barbeträge, die 2.600,– EUR nicht überschreiten (BAG vom 24.04.2006 – 3 AZB 12/05 – zitiert nach Juris, Rz. 12 m. w. N.). Des Weiteren muss dem Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz verliert und noch keine neue Stelle im selben Ort gefunden hat, ein weiterer Betrag aus der geleisteten Nettoabf...