Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgeldbeschluss fünf Tage nach Urteilsverkündung. persönlich geladene Partei. Ladung zum Kammertermin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Ordnungsgeldbeschluss gegen eine zu einem Kammertermin ordnungsgemäß persönlich geladene Partei, die nicht erschienen ist, muss durch die vollbesetzte Kammer ergehen. Nach §§ 51 Abs. 1 ArbGG, 141 Abs. 3 ZPO entscheidet „das Gericht”, im Kammertermin mithin unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, ob die Voraussetzungen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes vorliegen.

2. Dies schließt indessen nicht aus, dass die vollbesetzte Kammer bei Ausbleiben der persönlich geladenen Partei im Kammertermin es dem Vorsitzenden überlässt, z.B. für den Fall ungenügender Entschuldigung der Partei, nach der mündlichen Kammerverhandlung einen Ordnungsgeldbeschluss zu erlassen. Außerhalb der mündlichen Verhandlung erfolgt die Verhängung eines Ordnungsgeldes regelmäßig durch den Vorsitzenden allein, § 53 ArbGG.

3. Die Rechtfertigung für die Verhängung eines Ordnungsgeldes liegt allein darin, dass die gerichtliche Sachaufklärung pflichtwidrig behindert und somit der Fortgang des Verfahrens wegen des Ausbleibens der Partei vereitelt wird (Erzwingungscharakter).

4. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes scheidet aus, wenn das Gericht ungeachtet der Abwesenheit der persönlich geladenen Partei den Rechtsstreit durch Protokollierung eines Prozessvergleichs oder Erlass eines Urteils beendet

 

Normenkette

ArbGG § 51 Abs. 1 S. 2; ZPO § 141 Abs. 3 S. 1, § 380

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 04.11.2002; Aktenzeichen 6 Ca 336/02)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Ordnungsgeld-Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 04.11.2002 – 6 Ca 336/02 – aufgehoben.

 

Tatbestand

I.

In dem Hauptsacheverfahren streiten die Parteien darum; ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis oder freies Dienstverhältnis begründet worden ist, gleichzeitig wendet sich die Klägerin gegen den Ausspruch mehrerer Kündigungen. Mit Urteil vom 29.10.2002 hat das Arbeitsgericht der Statusklage der Klägerin sowie dessen Kündigungsschutzanträgen stattgegeben und deren Zahlungsklage abgewiesen. Beide Parteien haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt (5 Sa 532/02).

Mit der Ladungsverfügung vom 28.08.2002 zum Kammertermin vom 29.10.2002 hatte das Arbeitsgericht das persönliche Erscheinen der Klägerin sowie des Geschäftsführers der Beklagten, Herrn J. W., „zur Aufklärung des Sachverhalts und zur gütlichen Einigung” angeordnet. Trotz ordnungsgemäßer Ladung erschien der persönlich geladene Geschäftsführer W. nicht zum Kammertermin am 29.10.2002. Der Beklagtenvertreter vermochte sich im Kammertermin nicht zu der Behauptung der Klägerin, dass es ihr aufgrund Einführung einer neuen EDV-Anlage nicht möglich sei, von zu Hause aus zu arbeiten, zu erklären. Einen vom Gericht unterbreiteten Vergleichsvorschlag war er nur bereit unter Widerrufsvorbehalt abzuschließen. Am Schluss des Sitzungstages verkündete das Arbeitsgericht das im Wesentlichen stattgebende Urteil vom 20.10.2002.

Mit Beschluss vom 04.11.2002 hat das Arbeitsgericht gegen die Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 1.000,– festgesetzt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens sei im vorliegenden Fall vereitelt worden. Die Beklagten seien nicht in der Lage gewesen, den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich ohne Wiederrufsvorbehalt abzuschließen.

Gegen diesen, den Beklagten am 08.11.2002 zugestellten Beschluss haben die Beklagten am 14.11.2002 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass das Arbeitsgericht missachtet habe, dass die Ordnungsgeldmaßnahme als solche keine Ungehorsamsstrafe, sondern eine Erzwingungsmaßnahme sei. Der Inhalt des Beschlusses belege jedoch, dass das Arbeitsgericht die Beklagten dafür sanktionieren wollte, dass der Geschäftsführer W. von seinen prozessualen Rechten Gebrauch gemacht habe. Der Geschäftsführer habe keine eigene Kenntnis über das streitentscheidende Geschehen gehabt. Dafür hätten die Beklagten den Verlagsleiter zum Termin entsandt. Dieser hätte sich auch zu der strittigen Behauptung der Klägerin äußern können. Zur Durchführung einer gütlichen Einigung seien die Prozessbevollmächtigten der Beklagten schriftlich ermächtigt gewesen. Letztlich müsse dann, wenn das Gericht – wie hier – trotz Abwesenheit der Partei zur Beendigung des Rechtsstreits etwa durch Endurteil komme, von der Verhängung eines Ordnungsgeldes abgesehen werden.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 09.12.2002 nicht abgeholfen und dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens habe nicht nur zur Sachaufklärung, sondern auch der gütlichen Streitbeilegung gedient. Der zum Termin entsandte Prozessbevollmächtigte sei hierzu jedoch nicht ausreichend instruiert gewesen. Dieser habe nur einen Widerrufsvergleich abschließen können. Hieran sei eine gütliche Streitbeilegung gescheitert. Die Bekl...

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