Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung des Betriebsrats bei vorgezogenen Versetzungen auf neu geschaffene Arbeitsplätze im Rahmen einer Änderung des Vertriebsmodells. Unbegründeter Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin bei Beeinträchtigung der Sozialauswahl durch Wegfall mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer aufgrund einheitlicher Planung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Fallen die Arbeitsplätze mehrerer Arbeitnehmer infolge einer Änderung des Vertriebsmodells weg, kann die - vorgezogene - Versetzung vergleichbarer Arbeitnehmer auf neu geschaffene Arbeitsplätze, auf denen überwiegend Aufgaben des alten Vertriebsmodells ausgeübt werden, die berechtigte Besorgnis im Sinne des § 99 Abs. 2 Satz 3 BetrVG begründen, dass einem anderen Arbeitnehmer infolge dieser Maßnahme gekündigt wird.

2. Zur Einheitlichkeit einer Planung des Arbeitgebers und eines rechtlich relevanten Zusammenhangs (Einzelfallentscheidung).

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 1 S. 1; KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 09.04.2015; Aktenzeichen 3 BV 38 b/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 09.04.2015 - Az.: 3 BV 38 b/14 - abgeändert:

Die Anträge der Beteiligten zu 1. werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung von 21 Arbeitnehmern auf die Positionen "Manager Netze und Strukturen" in die Bereiche Diabetes und Business Unit Hospital.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) ist ein führendes Unternehmen der Pharmaindustrie mit annähernd 1000 Mitarbeitern. Neben der Produktion und dem Innendienst wird ein bundesweiter Außendienst eingesetzt, mit Mitte 2014 ca. 600 Mitarbeitern, die in drei sogenannten Linien beschäftigt werden. Eine dieser Linien ist der Bereich "Diabetes", der im August 2014 noch ca. 300 Mitarbeiter hatte. Des Weiteren existieren die beiden Linien Klinik (Hospital) und Onkologie.

Bei dem Antragsgegner (Beteiligter zu 2) handelt es sich um den dort gebildeten 15-köpfigen Betriebsrat.

Im Juni/Juli 2014 gab es zwischen den Beteiligten Gespräche über Umstrukturierungen des Diabetes Außendienstes, die die Arbeitgeberin dann aber nicht weiterführte.

Am 05.08.2014 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die Schaffung 20 neuer Stellen "Manager Netze und Strukturen" (MNS) für den Bereich Diabetes (Anlage Ast. 1, Bl. 21 d.A.), zu besetzen zum 01.09.2014 nach vorheriger interner Ausschreibung und Durchführung eines Auswahlprozesses gemäß der im Betrieb geltenden "Betriebsvereinbarung Auswahlrichtlinien". Diese Stellen sind dem Bereich Marketing (Brand Director Diabetes) zugeordnet. Die Mitarbeiter MNS erbringen den Großteil der Arbeit gemäß der Stellenbeschreibung jeweils in einem von 20 regional festgelegten Großräumen (Anlage Ast. 7, Bl. 84 f.). Sie sind verantwortlich für die Betreuung der größten und wichtigsten Diabetes-Schlüsselkunden (Anlage Ast. 9, Bl. 273, 275 d.A.). Die Vergütung erfolgt - wie bei den Pharmareferenten - außertariflich. Die Standardwertprämie ist für einige geringfügig höher als bei der Pharmareferententätigkeit. (Anlage ASt. 3, Bl. 33 f d.A.).

Die BV-Auswahlrichtlinien regelt die personelle Auswahl bei Einstellungen und Versetzungen anhand einer Kombination fachlicher und sozialer Gesichtspunkte. Die Betriebsvereinbarung sieht unter Ziff. 5.3. die Berücksichtigung sozialer Kriterien (Alter, Unterhaltsverpflichtungen, Betriebszugehörigkeit) und unter Ziff. 5.2.5. die Berücksichtigung einer Behinderung vor. Ziff. 5.2.3. regelt, dass der Arbeitgeber die vergebene Punktzahl nachvollziehbar darlegen können muss (Anlage Ast. 2, Bl. 22 - 32 d. A.).

Am 06.08.2014 erfolgte die interne Ausschreibung dieser 20 Stellen. Es wurde auch eine weitere MNS-Position im Bereich "Business Unit Hospital" ausgeschrieben. Es bewarben sich 54 bei der Arbeitgeberin im Bereich Diabetes Außendienst eingesetzte Pharmareferenten.

Im Nachgang zu der Information vom 05.08.2014 bat der Betriebsrat am 08.08.2014 die Arbeitgeberin um Beantwortung konkreter Fragen, um zu überprüfen, ob es sich bei der Neuschaffung dieser 20 MNS-Stellen um eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG handele. U.a. bat er um Erläuterung, ob und wie sich die Schaffung der 20 neuen Stellen auf die bestehenden Strukturen und den Beschäftigungsbedarf für Pharmareferenten im Bereich Diabetes auswirke und ob es insoweit einen Zusammenhang mit der dem Betriebsrat zuvor im Juni/Juli bereits erläuterten angedachten, dann nicht weiter verfolgten Umstrukturierung Diabetes gebe (Anlage ASt. 9, Bl. 272, 274 d. A.). Es entspann sich eine Mail-Korrespondenz der Beteiligten zu den 18 formulierten Fragen (Anlage Ast. 9, Bl. 272 - 278 d. A.). Die Arbeitgeberin verneinte u.a. unter Ziffer 16 die Frage des Betriebsrats, ob durch die Schaffung der MNS-Stellen andere Stellen im Bereich Diabetes entfallen (Bl. 275 d. A.). Unter Ziffer 17 bat der Betriebsrat um eine Zusicherung, das...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge