Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Verfügung. Abbruch der Wahl. fehlerhafter Wahlvorstand. sichere Anfechtbarkeit. fehlerhaft bestellter Wahlvorstand
Leitsatz (amtlich)
1. Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Abbruch einer Betriebsratswahl reicht es im Einzelfall aus, dass die anstehende Wahl sicher anfechtbar wäre.
2. Besteht der vom Betriebsrat gebildete Wahlvorstand auch aus gemäß § 16 I 1 BetrVG nicht Wahlberechtigten, so ist die nachfolgende Wahl sicher anfechtbar.
3. Bestand bisher für mehrere Unternehmen ein auf tarifvertraglicher Grundlage (§ 3 BetrVG) gebildeter einheitlicher Betriebsrat, so hat dieser Betriebsrat nach Kündigung des Tarifvertrages durch die Arbeitgeber für die anstehenden dann getrennt durchzuführenden Betriebsratswahlen Wahlvorstände zu bestellen, die jeweils nur aus Wahlberechtigten der Einheiten bestehen, für die die Wahlen durchzuführen sind.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BetrVG §§ 3, 16
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Beschluss vom 17.03.2010; Aktenzeichen 1 BVGa 10/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 17.03.2010 – 1 BVGa 10/10 – abgeändert:
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die für den 24.03.2010 geplante Betriebsratswahl bei den Antragstellerinnen zu 1) und 2) abzubrechen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerinnen (Beteiligte zu 1. nachfolgend „V. GmbH”; Beteiligte zu 2. nachfolgend „B. AG”) begehren im Wege der einstweiligen Verfügung, es dem Antragsgegner (nachfolgend „Wahlvorstand”) aufzugeben, die für den 24. März 2009 geplante Wahl eines Betriebsrates im vermeintlich gemeinsamen Betrieb von B. AG und V. GmbH abzubrechen.
Unter dem 24. Juni 1992 schloss die damalige Gewerkschaft H. unter anderem mit der B. AG, der V. GmbH & Co. KG und der B. GmbH einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mit der Maßgabe, dass unter anderem für die Betriebsstätten der B. Aktiengesellschaft, der V. GmbH & Co. KG und der B. GmbH ein gemeinsamer Betriebsrat gebildet wird. Wegen der Einzelheiten dieses Tarifvertrages wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Bl. 59 – 60 d. A.). Ausweislich der Protokollnotiz zu diesem Tarifvertrag vom 7. Dezember 2000 (Bl. 64, 65 d. A.) bestand zwischen den vertragsschließenden Tarifvertragsparteien Einvernehmen darüber, dass aufgrund mehrerer gesellschaftsrechtlicher Veränderungen der Tarifvertrag mit der Maßgabe anzupassen ist, dass er fachlich gilt für die Betriebsstätten der Unternehmen B. AG, V. GmbH und B. GmbH.
Die Geschäftsleitungen der drei genannten Firmen kündigten diesen Tarifvertrag zum Ablauf der gegenwärtigen Amtsperiode des Betriebsrates, die am 12. April 2010 enden wird. Der aufgrund dieser tarifrechtlichen Regelung gewählte und noch amtierende Betriebsrat beschloss auf seiner Sitzung vom 24. November 2009, einen Wahlvorstand für die anstehenden Wahlen zu bestellen, und zwar mit folgenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern:
- H. beschäftigt bei der V. GmbH,
- L., beschäftigt bei der B. AG,
- P., beschäftigt bei der B. AG,
- O., beschäftigt bei der B. GmbH,
- Ba., beschäftigt bei der B. GmbH.
Ausweislich des Protokolls der Sitzung des Betriebsrates vom 24. November 2009 (Bl. 125 – 128 d. A.) schlug der damalige Sitzungsleiter P. einen fünfköpfigen Wahlvorstand vor, und zwar im Hinblick auf die unterschiedlichen Wahlverfahren für die AG, das Versandhaus und den Einzelhandel.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2009 (Bl. 31 d. A.) informierte der Betriebsrat die Belegschaft über die Einsetzung eines gemeinsamen Wahlvorstandes für die anstehenden Wahlen und wies in diesem Schreiben darauf hin, es bedeute für die Beschäftigten der AG und des Versandhauses aber, dass sie wohl ihren eigenen Betriebsrat wählen müssten.
Dieser so gebildete Wahlvorstand organisiert nun zwei Wahlen, und zwar die Wahl des Betriebsrates der B. GmbH und die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates der B. AG und der V. GmbH.
Mit Wahlausschreiben vom 5. Februar 2010 setzte der gebildete Wahlvorstand die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon in Kenntnis, dass er – Wahlvorstand – zur Wahl eines Betriebsrates im gemeinsamen Betrieb von B. AG und dem V. GmbH in seiner Sitzung vom 5. Februar 2010 den Erlass eines Wahlausschreibens beschlossen habe, wobei die Betriebsratswahl am 24. März 2010 stattfinden werde (Bl. 129 – 130 d. A.).
Ebenfalls mit Wahlausschreiben vom 5. Februar 2010 setzte dieser Wahlvorstand die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon in Kenntnis, dass er zur Wahl eines Betriebsrates im Betrieb der B. GmbH (nach Betriebsvereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 a BetrVG vom 29.01.2010) in seiner Sitzung vom 5. Februar 2010 den Erlass eines Wahlausschreibens beschlossen habe, und zwar für die Wahl am 23. März 2010 (Bl. 131, 132 d. A.).
Die B. AG und die V. GmbH begehren im Wege der einstweiligen Verfügung den Abbruch der für den 24. März 2010 geplanten Wahl eines Betriebsrates für den angeblich einheitlichen Betrieb ihrer Unternehmen.
Die beiden Arbeitgeberinnen haben die Auffassung vertreten, sie bildete...