Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenrechtliche Behandlung eines Hilfsantrags nach Prozessvergleich
Leitsatz (redaktionell)
Wird ein Hilfsantrag mit einem an sich eigenständigen Streitgegenstand infolge eines Prozessvergleichs vom Gericht nicht beschieden, ist eine wertmäßige Berücksichtigung des Hilfsantrags bei der Festsetzung des Gebührenstreitwerts gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ausgeschlossen. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Parteien im Prozessvergleich erkennbar die Ansprüche aus dem Hilfsantrag nicht gestaltend mitgeregelt haben.
Normenkette
GKG § 45 Abs. 1 S. 2, Abs. 4; RVG § 32 Abs. 1, § 33
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Entscheidung vom 07.12.2018; Aktenzeichen 3 Ca 1209 b/18) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 07.12.2018, Az. 3 Ca 1209 b/18, wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Im Beschwerdeverfahren wendet sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen einen Wertfestsetzungsbeschluss.
Im durch Prozessvergleich erledigten Hauptsacheverfahren führten die Parteien einen Kündigungsrechtsstreit. Die Beklagte betreibt ein Bauunternehmen mit ca. 500 Arbeitnehmern. Der Kläger war bei ihr seit 1980 zuletzt als Polier zu einem Monatsgehalt von durchschnittlich 5.500,00 € brutto beschäftigt. Die Beklagte veräußerte den Bereich "Tiefbau/Tankstellenbau" zum 01.09.2018 an die Fa. M.. Zuvor hatte sie u.a. den Kläger über den bevorstehenden Betriebsübergang informiert. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Fa. M.. Daraufhin kündigte die Beklagte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.08.2018 zum 31.03.2019. Die Beklagte führte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat keinen Interessenausgleich i.S.v. § 112 BetrVG durch.
Im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren hatte er zuletzt folgende Anträge gestellt:
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 29.08.2018 zum 31. März 2019 aufgelöst wird,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.03.2019 hinaus fortbesteht und auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst wird,
- hilfsweise für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 29.08.2018 zum 31.03.2019 aufgelöst wird, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 99.000,00 € brutto zu zahlen.
Im Kammertermin vom 07.12.2018 schlossen die Parteien folgenden Prozessvergleich:
1. Die Beklagte erklärt, dass sie aus der Kündigung keine Rechte mehr herleitet. Der Kläger erklärt, dass er das Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsvertrages zu bisherigen Konditionen annimmt.
2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Kläger zukünftig nach Überwindung seiner Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten als Polier beschäftigt werden wird.
3. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.
Mit Beschluss vom 07.12.2018 hat das Arbeitsgericht den für die Rechtsanwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswert auf 17.500,00 € (drei Bruttogehälter) festgesetzt. Gegen diesen Beschluss hat der Klägervertreter sofortige Beschwerde am 22.12.2018 bzw. 07.01.2019 eingelegt.
Zur Begründung hat der Klägervertreter ausgeführt,
dass bei der Bemessung des Gegenstandswertes der Hilfsantrag zu berücksichtigen sei. Der Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs sei Gegenstand der Kammerverhandlung gewesen. Er sei als echter Hilfsantrag für den Fall des Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt worden. Er habe sich auch materiell-rechtlich mit dem Zahlungsantrag auseinandergesetzt. Werde der Anwalt auftragsgemäß für einen wertmäßig eigenen Hilfsanspruch tätig, so entstehe dadurch die Verfahrensgebühr (Nr. 3100), auch wenn noch keine gerichtliche Entscheidung (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG) ergangen oder ein Vergleich (§ 45 Abs. 4 GKG) abgeschlossen sei. Gerichtlicher und anwaltlicher Streitwert wichen dann voneinander ab, sodass der Anwalt insoweit aus eigenem Recht eine isolierte Streitwertfestsetzung nach § 33 RVG begehren könne.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 08.02.2019 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Der Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren sei zutreffend in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern festgesetzt worden. Danach errechne sich ein Wert von 16.500,00 € und nicht - wie festgesetzt - von 17.500,00 €. Eine nachträgliche Änderung aufgrund des offensichtlichen Rechenfehlers des Gerichts zulasten des Klägervertreters scheide jedoch aus. Eine Berücksichtigung des nur hilfsweise geltend gemachten Zahlungsantrags über 99.000,00 € scheide aus, weil hierüber keine Entscheidung ergangen sei und dieser auch nicht Gegenstand des gerichtlichen Vergleichs gewesen sei. Die Vergütungspflicht für anwaltliche Tätigkeit bestehe nicht losgelöst von der gesetzlichen Vergütungsregelung und der Wert der Gerichtsgebühren nach § 32 Abs. 1 RVG werde für die Anwaltsgebühren nicht ausnahmslos für anwendbar erklärt. Daraus folge, dass nicht je...