Entscheidungsstichwort (Thema)
Wertfestsetzung. Anfechtung. Wahlanfechtung. Betriebsratswahl. Unwirksamkeit. nichtvermögensrechtliche Streitigkeit. Bedeutung. Anfechtung einer Betriebsratswahl
Leitsatz (redaktionell)
Die Wertfestsetzung für ein Beschlussverfahren betreffend die Anfechtung einer Betriebsratswahl ist eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit und richtet sich damit nach § 23 Abs. 3 RVG. Für die Erhöhung oder Verminderung des Auffangwertes ist die Bedeutung der jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Positionen maßgeblich. Ein Anknüpfen an die Größe des zu bildenden Gremiums findet nicht statt (entgegen LAG Hamm, Beschluss v. 28.04.2005 – 10 TaBV 55/05).
Normenkette
RVG § 23 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 10.11.2005; Aktenzeichen 4 BV 71/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 10.11.2005 – 4 BV 71/05 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in der Beschwerde um die erstinstanzliche Wertfestsetzung.
Der Antragsgegner ist der im Betrieb der Antragstellerin am 2./3.6.2005 gewählte Betriebsrat. Diese Wahl hat die Antragstellerin (Arbeitgeberin) am 16.6.2005 angefochten. Das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 23.9.2005 die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Dabei hat es darauf abgestellt, dass die13 Auszubildenden der überbetrieblichen Ausbildungsabteilung „Hauswirtschaftshelfer im Gastgewerbe” nicht zur Wahl hätten zugelassen werden dürfen. Bei insgesamt rund 300 Beschäftigten könne sich dies auf das Wahlergebnis auswirken. Den Wert der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 10.11.2005 auf 8.000 EUR festgesetzt (Bl. 67 d.A.). Hiergegen hat die Arbeitgeberin am 30.11.2005 Beschwerde eingelegt (Bl. 78 d.A.), der das Arbeitsgericht am 30.11.2005 ohne Begründung nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts hat nicht Erfolg. Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Wertfestsetzung ist nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, dass das Arbeitsgericht bei der Bemessung das ihm zustehende Ermessen nicht ausreichend gewahrt hat.
Vorliegend handelt es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit, bei der der Wert gem. § 23 Abs. 3 RVG für nicht vermögensrechtliche Gegenstände zu bestimmen ist. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 4.000 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 EUR, anzunehmen. Da der Gesetzgeber es bislang unterlassen hat, für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren spezielle Wertvorschriften zu normieren, ist der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit in einem Beschlussverfahren auf den Hilfs- bzw. Auffangwert von 4000 Euro nach § 23 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 RVG festzusetzen, es sei denn, dieser Betrag erweist sich im Lichte der konkreten wertbestimmenden Faktoren als unangemessen. Wertbestimmende Faktoren sind auch betriebsverfassungsrechtliche Rechtspositionen, um deren Klärung es im Beschlussverfahren geht (LAG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 21.12.2004 – 5 Ta 236/04 – NZA-RR 2005, 385).
Gründe, die zu einer Ermäßigung oder Erhöhung führen, sind nicht der Arbeitsaufwand des Gerichts (LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 29.7.2005 – 1 Ta 53/05) oder des Prozessbevollmächtigten. Maßgeblich sind vielmehr die Bedeutung der jeweiligen betriebsverfassungsrechtlichen Positionen (LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 13.12.2005 – 1 Ta 263/05 –; LAG Schleswig-Holstein Beschluss vom 6.4.2006 – 2 Ta 66/06 –). Dabei ist dem Arbeitsgericht zuzustimmen, dass die Größe des zu bildenden Gremiums, entgegen der Auffassung des LAG Hamm (LAG Hamm Beschluss vom 28.4.2005 – 10 TaBV 55/05 – NZA-RR 2005, 435) sich nicht auf den Wert auswirken kann.
Angesichts der Bedeutung der Streitigkeit nicht nur für den konkreten Betrieb, sondern auch für andere vergleichbar strukturierte Betriebe, erscheint eine Festsetzung mit dem Doppelten des Auffangwertes angemessen.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Arbeitgeberin. Die Gebührenfreiheit nach § 33 IX RVG gilt nur für das Verfahren über den Festsetzungsantrag. Im Beschwerdeverfahren fällt eine Gebühr nach Nr. 1811 der Anlage zu § 211 RVG an (LAG Hamburg Urt. v. 30.6.2005 – 8 Ta 5/05 – LAG-Report 2005, 352). Auch hat die Kostenfreiheit für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren nicht zur Folge, dass auch das Beschwerdeverfahren, in dem eine sofortige Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung eingelegt wird, ebenfalls kostenfrei wäre (LAG Köln Beschluss vom 19.5.2004 – 10 Ta 79/04 – LAG-Report 2004, 344).
Fundstellen
Haufe-Index 1552224 |
www.judicialis.de 2006 |