Entscheidungsstichwort (Thema)
Crew-Kantine. Sozialeinrichtung. Freiwilligkeit. soziale Leistung. Personalverkauf. Lebens- und Genussmittel. Catering. Crew-Kantine nach § 16 MTV See als Sozialeinrichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn der Arbeitgeber auf Grund einer tarifvertraglichen Regelung (hier: § 16 MTV See) verpflichtet ist, der Belegschaft den Einkauf von Lebens- und Genussmitteln für den Verbrauch im Betrieb (hier: Fährschiff) zum Einkaufspreis zuzüglich Verwaltungspauschale anzubieten, handelt es sich um eine Sozialeinrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Ziffer 8 BetrVG, wenn der Verkauf institutionalisiert in einem eigenen Raum mit entsprechender eigenständiger Verwaltung erfolgt.
2. Der Einordnung als Sozialeinrichtung steht nicht entgegen, wenn das in der Crew-Kantine eingenommene Geld in das allgemeine Vermögen des Arbeitgebers fließt, soweit im Übrigen die selbständige Organisation und Verwaltung gegeben ist.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 8; MTV See § 16
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 24.04.2009; Aktenzeichen 3 BV 21 c/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24.04.2009 (Az. See 3 BV 21 c/09) wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragsgegnerin ist eine Reederei, die u. a. die Fährlinie T.-T. (S.) mit den Fährschiffen „MS N. S.” und „MS R. H.” betreibt. Der Antragsteller ist der im Betrieb der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat, der für beide Fährschiffe zuständig ist.
Auf diesen Fährschiffen betreibt die Antragsgegnerin jeweils eine Crew-Kantine. Die Crew-Kantine dient dem zollfreien und steuerbegünstigten Verkauf von Waren an die Crew-Mitglieder für den Verbrauch an Bord, zu dem die Antragsgegnerin auf Grund von § 16 MTV See verpflichtet ist.
Die Bestellung der Ware für die Crew-Kantine erfolgt zwar gemeinsam mit den sonstigen Bestellungen für die Fährschiffe, jedoch unter Kennzeichnung der für die Kantine bestimmten Waren unter Verwendung zumindest einer eigenen Rechnungsnummer. Jedes Schiff hat verschiedene Bereiche, für die zum Verkauf bestimmte Waren bestellt werden, und zwar die genannte Crew-Kantine, den Shop, die Cafeteria/Oberstewardlager, die Rezeption, die Bar und die Küche. Alle diese Bereiche geben ihre Bestellungen zunächst an den Purser des Schiffes und sodann über ihn an die Antragsgegnerin ab. Ob die Crew-Kantine neben der Rechnungsnummer auch eine eigene Kundennummer hat, ist zwischen den Beteiligten streitig. Sodann werden die Waren – für den Mitarbeiterverkauf ebenso wie für die anderen Bereiche- über das allgemeine Warenwirtschaftssystem der Antragsgegnerin bei den Lieferanten der Antragsgegnerin geordert. Die von ihnen erteilten Rechnungen – auch für die Crew-Kantine – gehen an die allgemeine Buchhaltung der Antragsgegnerin und werden von dort beglichen. Mit den Kosten werden die einzelnen Fährschiffe belastet. Die Waren werden von den allgemeinen Lieferanten, die auch die übrigen Waren für den Bordverkauf liefern, in gesonderten mit dem Wort „Kantine” gekennzeichneten Kartons an das jeweilige Fährschiff angeliefert. Für die Crew-Kantine ist auf jedem Schiff ein separater Verkaufsraum zur Verfügung gestellt. In diesem Raum werden die Waren, die für den Verkauf an die Crew bestimmt sind, getrennt von den für die Passagiere bestimmten Waren, gelagert. Dort befindet sich eine elektronische Kasse, die an das Warenwirtschaftssystem der Antragsgegnerin angebunden ist. Praktisch werden keine Waren aus dem sonstigen Lagerbestand der Schiffe in die Crew-Kantine abgegeben – obwohl dies theoretisch möglich ist –, da diese keine Versorgungslücken aufweist.
Die Crew-Kantine wird zweimal pro Woche für den Personalverkauf geöffnet. Zum Verkauf stehen 60 bis 70 Artikel, darunter Rauchwaren und Alkoholika. Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 MTV See sind die Verkaufspreise in der Crew-Kantine so zu kalkulieren, dass nach Deckung der Kosten (Einkaufspreis zuzüglich Verwaltungspauschale) keine Überschüsse entstehen. Auf der „MS R. H.” wird der Verkauf durch den Purser durchgeführt, der auch für die Kasse verantwortlich ist. Auf der „MS N. H.” wurde der Verkauf bis vor kurzem durch den Purser-Assistenten und wird nunmehr durch wechselnde Fachkräfte des Catering oder durch den Catering-Helfer durchgeführt. Am Ende der Öffnungszeit führen die Verkäufer separate Abrechnungen der Einnahmen in der Crew-Kantine durch. Der Purser erhält sodann die Einzeleinnahmen. Dieser hält den Erlös zwar einzeln fest, aber dann geht dieser in die Gesamtkassenabrechnung der Tagesabrechnung für den gesamten Cateringbereich ein. Dieses Gesamtkassenergebnis geht sodann an die Antragsgegnerin. Dort wird das Geld als Gesamtsumme gebucht. Jedoch werden die Umsätze für jeden der genannten Verkaufsbereiche getrennt gebucht. Sie fließen in die Cateringergebnisse beider Schiffe und damit in das allgemeine Vermögen der Antragsgegnerin ein. In der Buchhaltung haben...