Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugangsrecht. Rechtsanwalt. Betriebsratsbüro. Hausrecht. Globalantrag. Rechtsschutzbedürfnis

 

Leitsatz (amtlich)

Aus § 40 Abs. 2 BetrVG kann sich im Einzelfall eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, den Zugang eines Rechtsanwalts zum Betriebsratsbüro zu dulden.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 2; ZPO § 256

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 19.11.1997; Aktenzeichen 5 SV 74/97)

 

Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Der Antragsteller, ein aus neun Mitgliedern bestehender Betriebsrat, wurde in der Vergangenheit wiederholt durch Herrn Rechtsanwalt Michael N. beraten und in Beschlußverfahren vertreten. In dieser Eigenschaft wollte Herr N. den Antragsteller am 17.09.97 im Betriebsratsbüro aufsuchen, um einen am 18.09.97 anstehenden Gerichtstermin in dem Verfahren 2 BV 41/97 (Lübeck) zu besprechen und einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag in dem Verfahren 3 BV 2/98 (Lübeck) zu beraten. Die Antragsgegnerin verwehrte ihm den Zutritt.

Der Antragsteller hält das Verhalten der Antragsgegnerin für einen schwerwiegenden Eingriff in die Betriebsratstätigkeit.

Er hat beantragt,

die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, Rechtsanwalt Michael N. Zugang zum Betriebsrat zu gewähren, sofern der Betriebsrat einen Beschluß gefaßt hat, Rechtsanwalt Michael N. zu einem Tagesordnungspunkt der Betriebsratssitzungen zu hören bzw. beratend hinzuzuziehen,

hilfsweise,

festzustellen, daß die Verweigerung des Zuganges am 17.09.1997 gegenüber dem Rechtsanwalt Michael N. rechtswidrig war.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge durch Beschluß vom 19.11.1997 (Bl. 17–22 d. A.), auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Er macht geltend, das Zugangsrecht ergebe sich als notwendiger Annex zu den Aufgaben des Betriebsrats und folge in dem geforderten Umfang auch aus dem Hausrecht des Betriebsrats an den ihm vom Arbeitgeber gem. § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung gestellten Räumen und aus § 2 Abs. 1 BetrVG. Da der Betriebsratsvorsitzende nicht Vertreter „im Willen”, sondern nur Vertreter in der Erklärung sei, habe das gesamte Betriebsratsgremium Anspruch auf Erörterung der Sache mit dem Anwalt.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19.11.1997 (5 BV 74/97) dem Antrag des Antragstellers/Beschwerdeführers bzw. seinem Hilfsantrag stattzugeben.

Er beantragt ferner hilfsweise,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zugang von Rechtsanwalt Michael N. zum Betriebsrat zu dulden, soweit Rechtsanwalt N. den Betriebsrat in einem Beschlußverfahren vertritt und zur Beratung über das Verfahren vom Betriebsrat eingeladen worden ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde vollen Umfangs zurückzuweisen.

Hinsichtlich des erst in zweiter Instanz gestellten 2. Hilfsantrags beantragt sie, den Antrag abzuweisen.

Sie hält den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag für unzulässig und die Rechtsauffassungen des Antragstellers für unzutreffend. Es bleibe dem Betriebsrat unbenommen, sich mit seinem Prozeß Vertreter an jedwedem möglichen denkbaren Ort zu treffen, nicht jedoch das Eigentums- und Hausrecht des Arbeitgebers zu verletzen. Es sei auch nicht erkennbar, warum das gesamte Betriebsratsgremium Anspruch auf Erörterung der Sache mit dem Anwalt haben sollte.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

B.

Die zulässige Beschwerde ist nicht gerechtfertigt.

I. Der Hauptantrag ist zwar nicht unzulässig, aber unbegründet.

1. Zu Unrecht führt die Antragsgegnerin den Beschluß des BAG vom 18.09.1991 – 7 ABR 63/90 – AP Nr. 40 zu § 40 BetrVG 1972 – als Beleg dafür an, daß ein auf die Vornahme einer Handlung, auf Unterlassung oder auf Duldung gerichteter Antrag, der sich einschränkungslos auf alle denkbaren Möglichkeiten erstreckt, unter denen das geltend gemachte Recht bestehen soll (Globalantrag), unzulässig sei.

Das BAG hat sich in dieser Entscheidung vielmehr unter Hinweis auf Ausführungen von Grunsky (Anm. zu BAG AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit) und seine eigene jüngere Rechtsprechung auf den Standpunkt gestellt, daß die Entscheidung über einen Globalantrag auch in den Fällen, in denen der geltend gemachte Handlungs-, Unterlassungs- oder Duldungsanspruch nicht unter allen Umständen oder nicht für alle Fallkonstellationen besteht, sondern von den Umständen des Einzelfalls abhängt, nicht auf die unzulässige Erstattung eines Rechtsgutachtens hinauslaufe. Einem Globalantrag könne aber nur stattgegeben werden, wenn der Anspruch auf Vornahme, Unterlassung oder Duldung der Handlung unter allen denkbaren Gesichtspunkten einschränkungslos bestehe. Sei dies nicht der Fall, sondern bestehe der Anspruch nur bei Vorliegen bestimmter...

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