Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert. unechter Hilfsantrag. Freistellung. Anwaltlicher Gegenstandswert des uneigentlichen Hilfsantrags
Leitsatz (amtlich)
Ein unechter Hilfsantrag (hier: Weiterbeschäftigung nach Kündigung) ist bei der Wertfestsetzung der Anwaltsgebühren auch dann werterhöhend zu berücksichtigen, wenn über ihn nicht entschieden wird.
Normenkette
GKG § 45; RVG § 32 Abs. 1; ZPO § 3
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Beschluss vom 21.04.2009; Aktenzeichen 2 Ca 200 c/09) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beklagtenvertreter wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.04.2009 – 2 Ca 200 c/09 – teilweise abgeändert.
2. Der Streitwert wird auf 7.736,– EUR festgesetzt.
3. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Parteien stritten im Ausgangsverfahren um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung. Der Kläger hatte gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.01.2009 am 10.02.2009 Kündigungsschutzklage mit folgenden Anträgen erhoben:
- „Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die schriftliche, ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26.01.2009 nicht aufgelöst ist.
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst ist.
- Im Falle des Obsiegens mit dem Klagantrag zu 1., wird die Beklagte verurteilt, den Kläger über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kraftfahrer (Klasse 3) und Lagerarbeiter weiterzubeschäftigen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.”
Der Rechtsstreit endete durch einen am 24.03.2009 festgestellten Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO mit folgendem Inhalt:
- Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet auf Grund der von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 27.01.2009 aus dringenden betrieblichen Gründen am 28.02.2009.
- Der Kläger bleibt unter Fortzahlung seiner Bezüge und unter Anrechnung etwa noch bestehender Urlaubsansprüche bis zum 28.02.2009 freigestellt.
- Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 1.200,– EUR brutto. Die Abfindung ist fällig mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses.
- Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis aus der Sicht eines wohlwollenden Arbeitgebers zu erteilen.
- Damit ist dieser Rechtsstreit erledigt.
Die Beklagtenvertreter beantragten,
den Streitwert festzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21.04.2008 den für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Wert auf 5.802,– EUR und für den Vergleich einen Mehrwert von 603,61 EUR festgesetzt. Es hat die Anträge zu 1. und 2. insgesamt mit einem ¼-Jahresverdienst des Klägers (3 × 1.934,– EUR) in Ansatz gebracht. Dem Antrag zu 3. hat es keinen weiteren Wert beigemessen. Die in Ziff. 4. des Vergleichs geregelte Verpflichtung zur Zeugniserteilung hat das Arbeitsgericht mit 500,– EUR berücksichtigt und den Wert der Freistellung gemäß Ziff. 2 mit 103,61 EUR.
Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21.04.2009 haben die Beklagtenvertreter mit am 04.05.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Sie meinen, der als uneigentlicher Hilfsantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag sei mit einem Bruttomonatsgehalt bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen. Bei der Bewertung der Freistellung sei auch der vor Vergleichsschluss liegende Zeitraum mit einem Viertel der Vergütung zu berücksichtigen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (vgl. Nichtabhilfebeschluss vom 03.06.2009 = Bl. 37 f d. A.) und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i. V. m. § 32 Abs. 1 RVG, 68 Abs. 1 S. 1 GKG zulässig. Der Beschwerdewert ist angesichts dessen, dass die Beklagtenvertreter statt des ursprünglich festgesetzten Streitwerts von 5.802,– EUR die Festsetzung von 7.736,– EUR sowie einen um 379,89 EUR höheren Vergleichsmehrwert beantragt haben, erreicht.
In der Sache ist die Beschwerde nur teilweise begründet.
1. Mit Recht rügen die Beklagtenvertreter, dass das Arbeitsgericht den Wert des uneigentlichen Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung nicht mit einem weiteren Monatsgehalt berücksichtigt hat.
a) Die Bewertung dieses uneigentlichen (unechten) Hilfsantrags, der nur für den Fall des Obsiegens mit der Klage nach § 4 KSchG geltend gemacht wird, ist umstritten. Teilweise wird der Antrag nur berücksichtigt, wenn über ihn entschieden wird (LAG Düsseldorf 21.12.2006 – 6 Ta 640/06 – zit. n. JURIS; LAG Hessen 23.04.1999 – 15/6 Ta 28/98 – NZA-RR 1999, 434; ErfK/Koch 9. Aufl. § 12 ArbGG Rn. 17). Auch zwei Kammern des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein haben bis in jüngster Zeit diese Auffassung vertreten (LAG Schleswig-Holstein 14.01.2003 – 2 Ta 224/02 – zit. n. JURIS; LAG Schleswig-Holstein 23.12.2005 – 1 Ta 228/05 –). Die Gegenansicht ...