Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit erstinstanzlicher fiktiver Reisekosten der Arbeitgeberin bei Arbeitnehmerklage am Erfüllungsort und Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten am Unternehmenssitz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren können Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten grundsätzlich erstattungsfähig sein. Das gilt auch dann, wenn der Kläger seine Klage am Erfüllungsort erhoben hat (im Anschluss an: LAG Hamburg, Beschluss vom 09.10.2009 - 1 Ta 10/09; gegen LAG Düsseldorf, Beschluss vom 20.05.2005 - 16 Ta 215/05).

2. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigtem am Unternehmenssitz ist erforderlich, wenn am Erfüllungsort keine geeignete Person zur Verfügung steht, die den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung allein führen kann. Bei dieser Beurteilung kommt es auf den Streitgegenstand des Prozesses an.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1; ArbGG § 12a Abs. 1; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 27.01.2015; Aktenzeichen 2 Ca 2116 d/11)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 17.08.2015; Aktenzeichen 10 AZB 27/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 27.01.2015 - 2 Ca 2116 d/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit erstinstanzlicher fiktiver Reisekosten der Partei.

Die Beklagte vertreibt an ihrem Sitz in A. ausschließlich an Händler Alarmanlagen und Videoüberwachungssysteme. Die einzige weitere Betriebsstätte der Beklagten befindet sich in K.. Dort wird ausschließlich Software entwickelt. Insgesamt waren in K. im streitgegenständlichen Zeitraum 5 bis 6 Mitarbeiter beschäftigt, davon einer, Herr F., als Teamleiter. Auch der Kläger war ausschließlich in K. eingesetzt.

Im Hauptsacheverfahren haben die Parteien darüber gestritten, ob die mit dem Kläger getroffene Vergütungsabrede sittenwidrig war und ihm deswegen weitere Vergütungsansprüche zustanden. Dabei ging es inhaltlich vor allem darum, welchem Wirtschaftszweig das Unternehmen der Beklagten zuzurechnen ist, und im Weiteren, in welche Gehaltsgruppe des einschlägigen Rahmentarifvertrags der Kläger eingruppiert wäre.

Das Arbeitsgericht Kiel hat im Verfahren 3 Termine durchgeführt, zu denen der Prozessbevollmächtigte der Beklagten als deren einziger Vertreter jeweils von seinem Kanzleisitz in A. angereist ist.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil abgewiesen und den Kläger zur Kostentragung verurteilt. Die Berufung gegen dieses Urteil hat das Landesarbeitsgericht auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Die Entscheidungen sind rechtskräftig.

Mit Beschluss vom 27.01.2015 hat das Arbeitsgericht die vom Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 6.024,33 € festgesetzt. Hiervon entfallen 2.066,48 € auf hypothetische Reisekosten der Beklagten zur Teilnahme an den 3 Gerichtsterminen vor dem Arbeitsgericht Kiel.

Gegen diesen ihm am 29.01.2015 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 11.02.2015 sofortige Beschwerde eingelegt, soweit dort hypothetische Reisekosten der Beklagten für die 3 Gerichtstermine in erster Instanz festgesetzt worden sind.

Er trägt vor:

Die Erstattung fiktiver Reisekosten könne die Beklagte nicht verlangen, da sie den Prozess von Kr. aus habe führen können. Dort sei als Teamleiter Herr F. tätig gewesen, der mit ihm Vertragsänderungen verhandelt und auch sein Zwischenzeugnis unterzeichnet habe. In der Auseinandersetzung sei es um seine konkreten Tätigkeiten vor Ort gegangen, so dass die Beklagte auch einen Rechtsbeistand in K. habe beauftragen können, der die Gerichtstermine zusammen mit dem Teamleiter habe wahrnehmen können.

Im Übrigen bestehe nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf kein Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Terminswahrnehmung, wenn der Arbeitgeber am Gerichtsstand des Erfüllungsortes verklagt werde. Dass der Arbeitgeber seine Personalabteilung zentralisiere, könne nicht zu Nachteilen des Arbeitnehmers führen.

Der Kläger beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben, soweit hypothetische Reisekosten der Beklagten für die Wahrnehmung der Gerichtstermine vor dem Arbeitsgericht Kiel in Höhe von 2.066,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.07.2014 geltend gemacht wurden.

Die Beklagte beantragt,

die sofortige Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe den Prozess nicht durch einen Mitarbeiter vor Ort führen können. Es sei vom Kläger selbst vorgetragen und unstreitig, dass es sich bei seiner Arbeitsstätte lediglich um einen Niederlassung mit einem eng umgrenzten technischen Aufgabenbereich gehandelt habe, also um eine Niederlassung ohne eigene Personalverwaltung. Die in Kr. tätigen weiteren Arbeitnehmer seien mit technischen bzw. EDV-Fragen beschäftigt und hätten weder die Aufgabe, noch seien sie geeignet, einen arbeitsrechtliche...

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