Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahl. Betriebsrat. Anfechtung. Wahlanfechtung. Wahlverfahren. wesentlich. Verstoß. Beschäftigtenzahl. leitender Angestellter. Controller. regelmäßig. Beurteilungsspielraum. Einschätzung. Interessenausgleich. Sozialplan. Kündigung. Klage. Verfahrensdauer. Wahlbewerber. Wahlvorstand

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Wahl einer größeren als nach § 9 BetrVG bestimmten Anzahl von Betriebsratsmitgliedern stellt sich als zur Anfechtung berechtigender Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren dar.

2. Bei der Bestimmung der für § 9 BetrVG erheblichen Zahl von wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Wahlvorstand dann, wenn aufgrund eines verhandelten Interessenausgleichs und Sozialplans feststeht, daß der Arbeitgeber mit einer – innerhalb der auf die Wahl folgenden zwei bis vier Monate von 40 auf 18 Arbeitnehmer verringerten Mitarbeiterzahl in Zukunft dauernd einen Betrieb betreiben will, von dieser verringerten Arbeitnehmer zahl auszugehen.

3. Die Absicht von Arbeitnehmern, evtl. gegen Kündigungen des Arbeitgebers gerichtlich vorgehen zu wollen, berechtigt den Wahlvorstand nicht dazu, diese Arbeitnehmer als im Betrieb auf lange Zeit verbleibende bei der Bestimmung der Anzahl der Wahlberechtigten mitzurechnen. Es kann nicht einmal bei einem rechtshängigen Kündigungsrechtsstreit von Fachkundigen prognostiziert werden, wie lange der Prozeß währen und welchen Ausgang er nehmen wird. Wichtige Teile der Entscheidung: Seite

 

Normenkette

BetrVG §§ 9, 19, 103; KSchG § 15

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Beschluss vom 11.05.1994; Aktenzeichen 4c BV 21/94)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 11. Mai 1994 – 4c BV 21/94 – abgeändert.

Die Wahl des Betriebsrats vom 8. April 1994 gemäß Bekanntmachung vom 11. April 1994 wird für unwirksam erklärt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 8. April 1994 durchgeführten Betriebsratswahl.

Wegen des Sach- und Streitstands, wie er in I. Instanz zur Entscheidung vorgelegen hat, wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der antragstellenden Arbeitgeberin zurückgewiesen, weil die Betriebsratswahl ordnungsgemäß vonstatten gegangen sei; der Wahlausschuß habe im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens von einer regelmäßigen Beschäftigtenzahl von 21 Personen ausgehen dürfen, demzufolge sei ein aus drei Mitgliedern bestehender Betriebsrat zu wählen gewesen.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Gegen den ihm am 24.05.1994 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts Elmshorn richtet sich die am 24.06.1994 eingelegte und am 15.07.1994 begründete Beschwerde des Unternehmens.

Das Unternehmen ist weiterhin der Auffassung, daß gegen Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes verstoßen worden und daher die Wahl unwirksam sei. Es stützt seine rechtliche Folgerung auf den Umstand, daß für die Einschätzung der Belegschaftsgröße der Zeitpunkt des Wahlausschreibens maßgeblich sei. Demgegenüber sei das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft von einem späteren Beurteilungstermin ausgegangen. Im übrigen habe das Arbeitsgericht verkannt, daß seine eigenen tatsächlichen Feststellungen äußerstenfalls zu einer Zahl von 20 Beschäftigten führen, so daß dem Antrag gleichwohl hätte entsprochen werden müssen. Weil von den 41 Arbeitnehmern der Beklagten zwei Mitarbeiter leitende Angestellte seien, der Controller St. und der Betriebsleiter M., sei von 39 wahlberechtigten Arbeitnehmern auszugehen. Weil zwischen den Betriebsparteien gemäß dem Interessenausgleich vom 3. Februar 1994 abgestimmt worden sei, daß 22 Arbeitsplätze einschließlich dem des Herrn St. in Wegfall geraten würden, wäre tatsächlich von 18 wahlberechtigten Arbeitnehmern auszugehen, für die ein Betriebsrat hätte bestimmt werden müssen. Daß der Personalabbau sofort erfolgen sollte, sei dem Interessenausgleich zu entnehmen. Daher hätte der Wahlvorstand zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens vom 17. Februar 1994 die ihm bekannte feststehende Verringerung der Mitarbeiterzahl berücksichtigen müssen. Die unverzüglich nach dem Interessenausgleich stattfindenden Kündigungen mit den Kündigungsfristen des Manteltarifvertrages der Metallindustrie für Hamburg und Schleswig-Holstein hätten für die Angestellten die Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartal, im übrigen die Neuregelung gemäß § 626 BGB mit einer maximalen Kündigungsfrist von zwei Monaten für die gewerblichen Arbeitnehmer gegolten.

Damit habe im Zeitpunkt der Wahlausschreibung festgestanden, daß die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer innerhalb der nächsten sechs Monate unter 20 sinken würde. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts beruhe demgegenüber erkennbar auf einem anderen Beurteilungszeitpunkt. Das Arbeitsgericht habe offenbar in der Verhandlung vom 11. Mai 1994 überprüft, wieviele Kündigungsschutzstreitigkeiten anhängig seien. Offenbar habe das Arbeitsgericht angenommen, daß die gegenübe...

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