Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzklage. Klagefrist. Fristablauf. nachträgliche Zulassung. Verschulden. Postlaufzeit. nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer darf darauf vertrauen, dass eine Kündigungsschutzklage am Montag beim Arbeitsgericht eingeht, wenn er die Klage am Samstag in den Postbriefkasten wirft, sofern dieser am Samstag geleert wird.
Normenkette
KSchG § 5 Abs. 1 S. 1, § 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 20.03.2008; Aktenzeichen 3 Ca 55/08) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 30.11.2007) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 20.03.2008 – 3 Ca 55/08 – abgeändert.
Die Kündigungsschutzklage des Klägers mit Datum vom 16. November 2007 – zugegangen beim Arbeitsgericht Hamburg am 30. November 2007 – gegen die Kündigung der Beklagten vom 29. Oktober 2007 wird nachträglich zugelassen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert der Beschwerde wird festgesetzt auf 14.910,00 EUR.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten um die nachträgliche Zulassung einer vom Kläger verspätet erhobenen Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der von der Beklagten am 29. Oktober 2007 ausgesprochenen fristgerechten Kündigung.
Der Kläger trat am 1. Juli 2005 als International Sales Manager im Innen- und Außendienst in die Dienste der Beklagten ein. Er verdiente zuletzt 4.970,00 EUR brutto. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Schreiben vom 29. Oktober 2007 fristgerecht zum 30. November 2007.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erfuhr am 30. November 2007 durch Nachfrage beim Arbeitsgericht Hamburg, dass dort eine von ihm gefertigte Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 29. Oktober 2007 nicht eingegangen war.
Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten am 1. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht Hamburg den Antrag gestellt, die Kündigungsschutzklage gemäß Klagschrift vom 16. November 2007 nachträglich zuzulassen.
Der Kläger hat dazu durch seinen Prozessbevollmächtigten vortragen lassen:
Sein Prozessbevollmächtigter sei am 16. November 2007 am Nachmittag aus B. zurückgekehrt. Sein Prozessbevollmächtigter habe dann am Abend des 16. November 2007 die Klagschrift selbst getippt, um diese am nächsten Morgen einzuwerfen, da er anschließend nach Einwurf der Klage am Samstagmorgen nach S. habe fahren wollen und dies auch tatsächlich getan habe. Die Klagschrift habe sein Prozessbevollmächtigter dann persönlich am 17. November 2007 – Samstag – etwa gegen 8.00 Uhr in den Postbriefkasten am U-Bahnhof in 22379 H.-O. eingeworfen. Regelmäßig werde innerörtliche Post, die Samstag früh eingeworfen wird, bis Montag zugestellt. Sein Prozessbevollmächtigter habe darauf vertrauen dürfen, dass die Klage noch innerhalb der Frist bis 19. November 2007 beim Arbeitsgericht Hamburg eingehe. Gemäß § 2 Abs. 2 der Post-Universaldienstleistungsverordnung müssten im Jahresdurchschnitt mindestens 80 % der Briefe am auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt und 95 % zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag ausgeliefert werden. Tatsächlich stelle die Post 95 % der Briefe innerhalb Deutschlands schon einen Tag nach der Einlieferung zu, unabhängig davon, ob die Sendungen in einen Briefkasten eingeworfen oder in der Filiale abgegeben werden. Dies ergebe sich aus einer Auskunft der zentralen Kundenbetreuung vom 12. Februar 2008 (Blatt 51 der Akte). Angesichts der hohen Qualität der Postbriefzustellung habe sein Prozessbevollmächtigter davon ausgehen dürfen, dass – wie auch bereits in der Vergangenheit – die Zustellung am auf den Sonnabend folgenden Montag erfolgen werde. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Zustellung nur Innerorts zu erfolgen habe und zwischen der Einlieferung und dem nächsten Werktag noch der Sonntag lag.
Der Kläger hat beantragt, die Klage gemäß Klagschrift vom 16. November 2007 nachträglich zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.
Die Beklagte hat bestritten, dass der Prozessbevollmächtigte den Brief tatsächlich am 17. November 2007 in den Briefkasten am O…er Bahnhof einwarf. Es sei wenig glaubwürdig, dass ein Anwalt einen derart mit Tippfehlern übersäten Schriftsatz überhaupt an ein Arbeitsgericht schicke. Zudem hat die Beklagte bestritten, dass der Briefkasten überhaupt am 17. November 2007 geleert wurde. Zudem – so meint die Beklagte – habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht darauf vertrauen dürfen, dass ein am Samstag eingeworfener Brief das Arbeitsgericht auch tatsächlich am darauffolgenden Montag erreiche. Die normale Postlaufzeit in H. betrage – wie in Rechtsanwaltskreisen durchaus bekannt sei – insbesondere an Wochenenden keinesfalls nur einen Tag. Zudem habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers fahrlässig gehandelt, weil er weder vorsorglich die Klage per Fax übersandt noch am folgenden Montag sich wegen des Eingangs beim Arbeitsgericht erkundigt habe. Auch sei nicht erklärlich, warum der Prozessbevoll...