Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgsaussicht als Voraussetzung der Prozesskostenhilfebewilligung
Leitsatz (redaktionell)
Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO darf nicht mit Erfolgsgewissheit gleichgesetzt werden; auch darf keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg verlangt werden. Andererseits ist eine bloß entfernte Erfolgsaussicht nicht ausreichend. Das Gericht muss also die rechtlichen Grundlagen für die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung vollständig prüfen und dabei zu der Entscheidung kommen, ob eine "gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit" gegeben ist oder nicht.
Normenkette
ZPO § 114
Verfahrensgang
ArbG Neumünster (Entscheidung vom 21.07.2020; Aktenzeichen 4 Ca 737 a/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.07.2020 - 4 Ca 737 a/20 - geändert: Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für die Anträge zu 1) und 3) aus der Klageschrift vom 17.07.2020 bewilligt. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Der Klägerin wird Rechtsanwalt H. L. als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. Eine Verpflichtung zur Beteiligung an den Kosten des Rechtsstreits besteht derzeit nicht.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Kündigungsschutzklage.
Die seit 1995 beschäftigte Klägerin hat am 29.6.2019 von der Beklagten, die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, eine Kündigung ausgehändigt bekommen.
Hiergegen hat sie sich mit am Freitag, dem 17.7.2020 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten gewehrt, der mit "Kündigungsschutzklage und Antrag auf Prozesskostenhilfe" überschrieben ist, und auszugsweise lautet:
"Namens und in Vollmacht der Klägerin beantragen wir,
der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Unterzeichners zur Nullrate zu bewilligen.
Unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe werden wir namens und in Vollmacht der Klägerin Folgendes beantragen:
1. Es wird festgestellt, dass das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 29.05.2020, zugegangen unter dem 29.06.2019, beendet worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über dem Beendigungszeitraum hinaus fortbesteht.
3. Sollte die Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichts erklären, dass sie die Klägerin weiter beschäftigen wird, sofern ein der Klage stattgebendes Urteil ergeht, wird weiter beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1., dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst wurde, zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen zu einem monatlichen Bruttogehalt von 1.417,30 € bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen."
Nach Zuteilung der Klage am 20.7.2020 hinterließ die zuständige Richterin telefonisch um 13.35 Uhr einen Hinweis auf dem Anrufbeantworter des Prozessbevollmächtigten darauf, dass der PKH-Antrag nicht geeignet sei, die Klagefrist des § 4 KSchG zu wahren. Nachdem kein weiterer Eingang erfolgte, wies das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin mangels Erfolgsaussichten mit Beschluss vom 21.7.2020 zurück, da die Kündigung gemäß den §§ 4 Satz 1, 7 KSchG als wirksam gelte. Mit am 24.7.2020 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin einen Antrag auf nachträgliche Zulassung ihrer Kündigungsschutzklage nach § 5 KSchG gestellt und im selben Schriftsatz Kündigungsschutzklage (unbedingt) erhoben. Der erste Satz der Begründung lautet: "Mit Schriftsatz vom 17.07.2020 wurde Kündigungsschutzklage bedingt auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingereicht".
Mit ebenfalls am 24.7.2020 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21.7.2020 eingelegt. Zur Begründung führt sie hierzu im Wesentlichen aus:
Das Arbeitsgericht hätte über den vollständig eingereichten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe noch am 20.07.2020 entscheiden müssen. Daher sei ihre Kündigungsschutzklage jedenfalls nachträglich zuzulassen. Im Übrigen wahre ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe verbunden mit der bedingten Klageerhebung auch ohne nachträgliche Zulassung die Frist aus § 4 KSchG. Die entgegenstehende ältere Rechtsprechung müsse nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neu überdacht werden. Hierzu lägen auch mittlerweile einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Landesarbeitsgerichte vor. Damit sei ihre Klage nicht ohne Erfolgsaussichten. Das habe auch das LAG Nürnberg (7 Ta 19/12) in einem nahezu identischen Sachverhalt bereits entschieden.
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 24.7.2020 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Akte verwi...