Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung. Vergütungsgrundsätze. kollektivrechtlich. mitbestimmungswidrig. invidualrechtlich. Vergütungsstrukturen. Rechtsfolgen der Nichtbeachtung eines Mitbestimmungsrechts
Leitsatz (amtlich)
1) Einzelvertraglich vereinbarte Vergütungsstrukturen sind unter Beachtung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze zu gewähren.
2) Diese individualrechtlichen Verpflichtungen entziehen dem Betriebsrat jedoch kollektivrechtlich gerade nicht sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG anlässlich der Änderung der Vergütungsstrukturen.
3) Der TV-L enthält im Verhältnis zum BAT andere Vergütungsstrukturen.
4) War kraft gesetzlicher Verpflichtung im Betrieb der BAT anzuwenden, führt dieses
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Eingangssatz, Abs. 1 Ziff. 10
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 16.12.2008; Aktenzeichen öD 6 Ca 2378 b/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 16.12.2008 – öD 6 Ca 2378 b/08 – teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.763,32 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 04.09.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtstreits trägt die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Vergütungsansprüche für die Monate Januar 2008 bis einschließlich Juni 2008. Die Klägerin begehrt 521,25 EUR brutto monatlich mehr zuzüglich höherer Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit etc..
Die Klägerin ist am …1959 geboren und seit dem 01.01.2004 nahtlos bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger tätig. Bis zum 16.05.2007 war sie in der Wäscherei eingesetzt. Am 19.04.2007 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag. Nach ihm wurde die Klägerin nahtlos ab dem 17.05.2007 im Pflege- und Betreuungsdienst als Pflegeassistentin auf einer Dreiviertelstelle (125,25 Stunden pro Monat) weiterbeschäftigt. In § 4 des Arbeitsvertrages ist eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 870,00 EUR vereinbart. In § 6 ist unter der Überschrift „Zeitzuschläge” geregelt, dass für Arbeit an Sonn- und Feiertagen 25 % des Stundenentgelts auf Basis des jeweiligen vereinbarten Monatsentgelts nach § 4 und für Nachtarbeit 10 % dieses Entgelts gezahlt werden. Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge enthält dieser neue Arbeitsvertrag im Gegensatz zu dem ersten Arbeitsvertrag der Klägerin nicht.
Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Sie betreibt mehrere Krankenhäuser. Diese wurden ursprünglich als unmittelbare Landesbetriebe geführt (Fachklinik N., S. und H.). Insoweit bestand damals Tarifbindung. Durch das Gesetz über die Errichtung öffentlich rechtlicher psychiatrischer Fachkliniken vom 08.12.1995 (GVBl. 1995, S. 452) wurde die Fachklinik in eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit Wirkung zum 01.01.1996 umgewandelt. Gemäß § 11 Abs. 2 des Fachklinikgesetzes war diese Anstalt des öffentlichen Rechts zur Anwendung des BAT und der den BAT ergänzenden Tarifverträge verpflichtet. Daher wurde mit allen Arbeitnehmern arbeitsvertraglich eine Bezugnahme auf den BAT in der jeweiligen Fassung einschließlich der den BAT ändernden, ergänzenden Tarifverträge vereinbart. Bei einigen Arbeitsverträgen umfasste die arbeitsvertragliche Vereinbarung auch die den BAT „ersetzenden” Tarifverträge. Die Anstalt des öffentlichen Rechts war nicht Mitglied eines Tarifverträge schließenden Verbandes. An diesem Zustand änderte sich auch nach Zusammenlegung mit der Fachklinik H. und Umbenennung auf den Namen „p. G.” nichts. Durch das Gesetz zur Umwandlung psychiatrischer Einrichtungen und Erziehungsanstalten vom 24.09.2004 (GVBl. 2004, S. 350) wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, die p. G. in eine GmbH umzuwandeln. Mit diesem Gesetz endete die gesetzliche Verpflichtung zur Anwendung des BAT. Durch die Landesverordnung über den Formwechsel und die Veräußerung der p. G. vom 13.10.2004 (GVGl. 2004, S. 401) wurde die p. G. in eine GmbH umgewandelt. Der Formwechsel wurde mit Eintragung in das Handelsregister zum 04.01.2005 wirksam. Die p. G. firmiert jetzt unter dem Namen der Beklagten, die nicht Mitglied eines Tarifverträge schließenden Verbandes ist.
Ab Januar 2005 hat die Beklagte begonnen, bei Abschluss neuer Arbeitsverträge individuelle Vergütungsvereinbarungen zu treffen. Sie entwickelte hinsichtlich der Vergütung ihrer Mitarbeiter eine „Mindestentgelttabelle A. p. gGmbH”, die eine Eingruppierung der Mitarbeiter in Entgeltgruppen, ein Grundentgelt und verschiedene Entwicklungsstufen vorsah (Anlage B 1, Bl. 27 f. d. A.). Diese Mindestentgelttabelle hat die Beklagte auch bei Abschluss des neuen Arbeitsvertrages mit der Klägerin vom 19.04.2007 der Vergütungsvereinbarung zugrunde gelegt, wobei die einzelvertraglich zugesagte Vereinbarung den sich aus der Mindestentgelttabelle ergebenden Betrag von 804,00 EUR (3/4 von 1072,00 EUR) übersteigt.
Nachde...