Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Umdeutung. ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Prozessbeschäftigung zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen. vertraglich begründetes Prozessarbeitsverhältnis. Prozessarbeitsverhältnis. Arbeitsverweigerung
Leitsatz (amtlich)
1. Von einem vertraglich begründeten Prozessarbeitsverhältnis ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer keinen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt hat oder die Parteien eine Beschäftigung vereinbaren, die von dem bisherigen Vertragsinhalt nicht gedeckt ist.
2. Nimmt der Arbeitnehmer den Abschluss eines ihm von der Arbeitgeberin während des Laufs eines Kündigungsschutzverfahrens angebotenen Prozessarbeitsverhältnisses nicht an, rechtfertigt die daraus resultierende Arbeitsverweigerung weder eine außerordentliche noch eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung.
Normenkette
BGB §§ 140, 626 Abs. 1, § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 19.02.2009; Aktenzeichen 2 Ca 2244 b/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts K. vom 19.02.2009 – Az. 2 Ca 2244 b/08 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer durch die Beklagte ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise fristgerechten, Kündigung.
Der 40-jährige Kläger ist sei dem 02.05.2007 bei der Beklagten als stellvertretender Leiter der Abteilung Mietebuchhaltung zu einem Monatsgehalt von EUR 4.000,00 brutto beschäftigt.
In einem Vorprozess (ArbG K. 2 Ca 165 b/08 = LAG Schleswig-Holstein 5 Sa 292/08) stritten die Parteien über die Rechtswirksamkeit einer personenbedingten ordentlichen Kündigung vom 10.01.2008 zum 31.03.2008 wegen behaupteter Eignungsmängel des Klägers. Mit Urteil vom 09.06.2008 gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage des Klägers statt. Die hiergegen seitens der Beklagten eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 27.11.2008 – zwischenzeitlich rechtskräftig – zurück.
In § 2 des zugrunde liegenden Arbeitsvertrages ist die vom Kläger geschuldete Tätigkeit wie folgt festgelegt:
„(1) |
Der Angestellte wird als stellvertretender Leiter der Abteilung Mietebuchhaltung eingestellt. Eine anderweitige Verwendung und anderweitigen Einsatz behält sich der Arbeitgeber vor. |
(2) |
Er stellt seine gesamte Arbeitskraft und sein ganzes Wissen in den Dienst des Arbeitgebers. |
(3) |
Der Angestellte hat seine Arbeitsdienste in K. zu erbringen.” |
Nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils in dem Vorprozess (2 Ca 165 b/08) teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 24.06.2008 Folgendes mit (Bl. 19 d. A.):
„… wir halten an unserer Auffassung fest, dass das Arbeitsverhältnis mit Ihnen aufgrund der Kündigung vom 10.01.2008 am 31.03.2008 endet. Während der Dauer des Kündigungsschutzstreites bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis vorläufig als Prozessarbeitsverhältnis fortzuführen. Das Prozessarbeitsverhältnis endet automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit dem Tag der Verkündigung des Berufungsurteils.
Wir bitten Sie, sich gemäß § 2 Abs. 1, Satz 2, des Arbeitsvertrages am
Dienstag, den 01.07.2008, um 8:00 Uhr |
in …, Freiheit 6, |
einzufinden.
Sie werden vier Wochen zu Buchhaltungsarbeiten (Vorbereitung, Nebenkostenabrechnung) für das O.-Portfolio in B. arbeiten.
Melden Sie sich bitte am 01.07.2008 bei Herrn U.. Er wird Ihnen dann weitere Anweisungen erteilen. …”
Mit Anwaltsschreiben vom 25.06.2008 antwortete der Kläger hierauf u. a. wie folgt (Bl. 20 f. d. A.):
„Herr Z. wird wie von Ihnen gewünscht die Beschäftigung am 01.07.2008 in B. aufnehmen, er wird sich dort mit Herrn U. in Verbindung setzen, um weitere Anweisungen entgegen zu nehmen, da wir unterstellen, dass sie uns plausible Gründe nennen werden, weshalb Herr Z. in B. arbeiten soll.
Wir gehen davon aus, dass die weiterhin Bedingungen des streitigen Arbeitsverhältnisses gelten. Danach ist bekanntlich Arbeitsort für unseren Mandanten ausschließlich K.. Dementsprechend bestätigen Sie kurz zu unseren Händen, dass Ihrerseits die Kosten für Übernachtung und Anreise von K. nach B. von Ihnen getragen werden.
Bitte teilen Sie uns ferner mit, aus welchen Gründen Herr Z. seine Beschäftigung in B. aufnehmen soll, obwohl nach Kenntnis unseres Mandanten die von ihm zu erledigenden Arbeiten bisher sämtlichst in K. erledigt werden.
Wir betrachten die Fahrtzeiten unseres Mandanten von K. nach B. dementsprechend auch als Arbeitszeit, die zu vergüten ist. Auch um dessen Bestätigung bitten wir kurzfristig nach hierher.
…”
Hierauf erwiderte die Beklagte an die klägerischen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 30.06.2008 wie folgt (Bl. 22 d. A.):
„… Herr Z. soll die Tätigkeit in B. aufnehmen, da eine Tätigkeit in K. aufgrund der atmosphärischen Störungen nicht in Betracht kommt.
Die Fahrtzeit nach B. ist Anreisezeit, nicht Reisezeit und nicht Arbeitszeit, also nicht zu vergüten.
Die 4-wöchige Tätigkeit in B. soll nicht dazu genutzt...