Revision / Rechtsbeschwerde / Revisionsbeschwerde zugelassen ja
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragliche Umgehung der Kündigungsschutzbestimmungen
Leitsatz (amtlich)
Eine vertragliche Vereinbarung, wonach der Arbeitgeber den Umfang der Arbeitszeit jederzeit frei festlegen kann, ist wegen Umgehung der Kündigungsschutzbestimmungen unwirksam.
Normenkette
KSchG § 1; SchwbG § 12
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 16.03.1983; Aktenzeichen 1c Ca 1922/82) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts. Elmshorn vom 16. März 1983 geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit einer Stundenzahl von 23 Stunden wöchentlich zu beschäftigen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am 27.1.1923 geborene Klägerin schloß mit der Beklagten am 13.3.1975 einen Arbeitsvertrag, nach dem sie am 15.3.1975 als Erzieherin für den Kindergarten Brokdorf eingestellt wurde. § 3 des Arbeitsvertrages lautet:
Arbeitszeit
Die Arbeitszeit wird entsprechend den Erfordernissen vom Kindergartenausschuß Brokdorf festgesetzt. Die Einteilung der Arbeitszeit obliegt ebenfalls diesem Ausschuß.
Die Arbeitszeit der Klägerin betrug zunächst 15 Stunden wöchentlich und ist später auf 23 Stunden verlängert worden. Neben der Klägerin sind noch 2 weitere Kräfte in dem Kindergarten tätig. Mit Schreiben vom 16.11.1982 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß ihre Arbeitszeit ab 1.1.1983 12 Stunden betrage.
Die Klägerin hat vorgetragen:
§ 3 Arbeitsvertrag sei nichtig; denn für eine Kürzung der Arbeitszeit hätte die Beklagte an sich eine Änderungskündigung aussprechen müssen, gegen die sich die Klägerin nach den Kündigungsschutzbestimmungen hätte zur Wehr setzen können. Bei der Unterzeichnung des Vertrages sei der Klägerin gesagt worden, daß sie in Zukunft wahrscheinlich mehr Wochenstunden verrichten müsse; damals habe sich der Kindergarten noch in der Aufbauphase befunden.
Selbst wenn § 3 Arbeitsvertrag nicht rechtswidrig wäre, hätte die Beklagte kein Recht, die Stundenzahl von 23 auf 12 zu senken, denn die Klägerin habe einen gewissen Bestandsschutz.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu der bisherigen Stundenzahl von 23 Stunden künftig weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Nach dem Arbeitsvertrag könne sie die Arbeitszeit „entsprechend den Erfordernissen” festsetzen. Der hohe Zuschußbedarf für den Betrieb des Kindergartens habe den Sozialausschuß veranlaßt, darüber nachzudenken, wie die Kosten zu senken seien. Da eine Anhebung der Elternbeiträge nicht angebracht sei, sei nur die Senkung der Personalkosten in Frage gekommen. Eine Änderungskündigung, die eventuell gegen den Schwerbehindertenschutz der Klägerin oder das Kündigungsschutzgesetz verstoßen könnte, habe sie nicht ausgesprochen und nach dem Arbeitsvertrag auch nicht auszusprechen brauchen.
Das Arbeitsgericht Elmshorn hat die Klage durch Urteil vom 16. März 1983 abgewiesen. Es hat ausgeführt, die einseitige Herabsetzung der Stundenzahl durch die Beklagte sei rechtswirksam. Nach § 3 des Arbeitsvertrages sei sie dazu berechtigt. Die Maßnahme verstoße nicht gegen billiges Ermessen im Sinne des § 315 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung und zur weiteren Sachdarstellung wird auf das angefochtene Urteil nebst seinen Verweisungen Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 22.3.1983 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.4.1983 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 10.6.1983 am 8.6.1983 begründet.
Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt rechtlich aus, daß die Herabsetzung der Stundenzahl durch die Beklagte rechtsunwirksam sei. § 3 des Arbeitsvertrages decke diese Maßnahme nicht. Er sei rechtsunwirksam, da er zu einer unzulässigen Umgehung der Kündigungsschutzbestimmungen führe. Die Beklagte habe außerdem nicht nach billigem Ermessen gehandelt, da der Kindergarten nun nicht mehr nach den geltenden Bestimmungen besetzt sei
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16. März 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu der bisherigen Stundenzahl von 23 Stunden weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszuge wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung mußte Erfolg haben.
Nach Auffassung der Berufungskammer ist der § 3 des Arbeitsvertrages rechtsunwirksam. Die Beklagte war danach nicht berechtigt, die Wochenstundenzahl der Klägerin einseitig ohne Änderungskündigung herabzusetzen, so daß die Klägerin Anspruch darauf hat, weit...