Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Anforderungen. Inhaltliche Bestimmtheit. Konkrete Schilderung der Pflichtverletzung. Unzutreffende rechtliche Wertung. Gewerkschaftswerbung im Betrieb per E-Mail. Ausweitung des grundrechtlichen Schutzbereichs für koalitionsspezifische Tätigkeiten
Normenkette
BGB §§ 611, 242, 1004; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 16.09.1999; Aktenzeichen 3 Ca 653 a/99) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16.09.1999 – Az.: 3 Ca 653 a/99 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, auch die dem Kläger mit Schreiben vom 28.01.1999 zugegangene Abmahnung (Gewerkschaftswerbung) zurückzunehmen und dieses Schreiben und den damit im Zusammenhang stehenden Schriftwechsel aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Rücknahme und Entfernung der dem Kläger wegen Gewerkschaftswerbung erteilten Abmahnung vom 28.01.1999 und des damit im Zusammenhang stehenden Schriftwechsels.
Wegen des Sach- und Streitstandes, wie er in erster Instanz vorgelegen hat, wird gem. § 543 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils nebst seinen Verweisungen und wegen des weiteren Vorbringens der Parteien auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Berufung ist auch begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rücknahme der streitgegenständlichen Abmahnung und deren Entfernung aus seiner Personalakte einschließlich des damit im Zusammenhang stehenden Schriftwechsels.
Der Anspruch des Klägers folgt aus positiver Vertragsverletzung und einer entsprechenden Anwendung der §§ 242, 1004 BGB. Die Aufnahme einer ungerechtfertigten formellen Abmahnung in die vom Arbeitgeber geführte Personalakte des Arbeitnehmers bedeutet regelmäßig einen schuldhaften Verstoß gegen die Fürsorgepflicht, woraus sich der Anspruch auf Entfernung ergibt. Der Anspruch folgt aber auch – in Anspruchskonkurrenz – aus dem quasinegatorischen Beseitigungsanspruch des § 1004 BGB, wonach die Beeinträchtigung von Erwerb und Fortkommen des Arbeitnehmers durch den Inhalt der Abmahnung bzw. der Zustand, dass die Abmahnung Akteninhalt geworden ist, beseitigt werden muss.
Der Entfernungsanspruch ist begründet, weil die beanstandete Abmahnung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen entspricht. Die in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe sind zu pauschal und undifferenziert und, soweit sie rechtlich bewertet werden, jedenfalls so nicht haltbar.
Die Abmahnung ist der Ausdruck der Missbilligung eines Verhaltens unter Androhung von Rechtsfolgen für die Zukunft, falls sich das beanstandete Verhalten nicht ändert. Der Abmahnung kommt somit eine Dokumentations-, Warn- und Androhungsfunktion zu (vgl. Schaub „Die arbeitsrechtliche Abmahnung” in: NJW 1990 S. 872 f.; BAG vom 17.10.1989 in: AuR 1990 S. 53). Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber das beanstandete Verhalten hinreichend genau beschreibt und in hinreichend deutlich erkennbarerweise seine Beanstandungen vorbringt (BAG vom 17.02.1994 NZA 94, 656; BAG vom 25.06.1992 NZA 93, 82). Das dem Arbeitnehmer angelastete Fehlverhalten muss seiner Art nach präzisiert dargestellt werden. Nicht ausreichend sind nur schlagwortartige, pauschale Umschreibungen und subjektive Werturteile. Der Arbeitgeber hat zu konkretisieren, was er als nicht vertragsgerecht ansieht und wann und inwieweit der Arbeitnehmer dagegen verstoßen haben soll. Dabei ist der Inhalt der schriftlichen Abmahnung maßgeblich, die Gegenstand des Rechtsstreits ist. Die von jeder schriftlichen Abmahnung geforderte Dokumentationsfunktion verbietet es, der Abmahnung – sei es mündlich oder durch Schriftsätze im Abmahnungsprozess – Gründe zu unterlegen oder nachzuschieben, die nicht oder nicht so in der Abmahnung enthalten sind. Die Abmahnung muss aus sich heraus verständlich sein und die abgemahnten Pflichtwidrigkeiten in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht konkret anführen (BAG vom 24.03.1988, RzK I 5i Nr. 35). Dabei kommt es allerdings auf den subjektiven Empfängerhorizont des Arbeitnehmers und nicht darauf an, ob ein Betriebs- und Sachfremder ohne weiteres den Sachverhalt verstehen kann (vgl. Tschöpe, NZA-Beilage 2/1990). Doch selbst wenn man im Hinblick auf den Empfängerhorizont des Arbeitnehmers, der „weiß, wovon die Rede ist”, an die Konkretisierung weniger strenge Anforderungen stellen wollte, erfordert der Dokumentationszweck doch eine Präzisierung der Vorwürfe. Dabei kann es, je nach Fallgestaltung, auf Details ankommen; denn das, was zu beschreiben ist, kann und muss ggf. später zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden. Behauptete arbeitsvertragliche Pflichtenverstöße sind konkret zu bezeichnen, damit der Ar...