Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsfrist für Arbeiter/Angestellte. eigenständige Regelung. Verfassungsmäßigkeit. sachlicher Grund
Normenkette
MTV Metallindustrie Hamburg/Schl.-Holst. § 14 Ziff. 2.1; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 01.07.1992; Aktenzeichen 4c Ca 325/92) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 01.07.1992 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch darüber, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte die Kündigungsfrist für Arbeiter gem. § 14 Ziff. 2.1 des MTV für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte der Metallindustrie Hamburgs und Umgebung sowie Schleswig-Holstein (MTV) zugrunde gelegt werden kann oder diese Vorschrift angesichts der anders lautenden Regelung der Kündigungsfristen für Angestellte gem. § 14 Ziff. 2.2 MTV gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, so daß der Rechtsstreit bis zu einer Neuregelung der tariflichen Kündigungsfristen, längstens bis zum 30.06.1993, auszusetzen wäre.
Der MTV ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit anwendbar.
Alle Betriebe, die in den Geltungsbereich des MTV fallen, gehören dem produzierenden Gewerbe an; in ihnen werden überwiegend Arbeiter beschäftigt.
Der Kläger, der seit dem 01.06.1989 bei der Beklagten beschäftigt war, hat gegen die ihm mit Schreiben vom 30.01. zum 15.02.1992 ausgesprochene fristgemäße Kündigung der Beklagten Kündigungsschutzklage erhoben und beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Januar 1992 nicht aufgelöst ist, sondern über den 15. Februar 1992 hinaus fortbesteht,
- im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsschutz Verfahrens … weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 01.07.1992 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat das Feststellungsbegehren des Klägers mit der Begründung abgewiesen, daß die verhaltensbedingte Kündigung nicht sozialwidrig, vielmehr wegen nicht sorgfältiger Ausführung der ihm obliegenden Prüftätigkeit nach einschlägiger Abmahnung sozial gerechtfertigt sei.
Gegen dieses ihm am 20.07. zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.08. Berufung eingelegt und diese am 15.09.1992 begründet.
Der Kläger trägt vor:
Die Berufung richte sich dagegen, daß das erstinstanzliche Urteil die Kündigungsfrist gem. § 14 Ziff. 2 MTV, d. h. die Arbeiterkündigungsfrist angewandt habe, obwohl deren Verfassungswidrigkeit bereits in der Klagschrift gerügt worden sei. Soweit das Urteil die Sozialwidrigkeit der Kündigung verneine, werde es nicht angegriffen.
Die Kündigungsfrist des § 14 Ziff. 2.1. MTV sei nicht anwendbar, da die tarifliche Regelung der Fristen für die Kündigung von Arbeitern wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG nichtig sei. Nach dem einschlägigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts könne zwar ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität im produktiven Bereich eine Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten bei der Festlegung von Kündigungsfristen sachlich rechtfertigen; im Bereich der Metallindustrie bestehe dieses Interesse, dem mit verkürzten Kündigungsfristen für Arbeiter Rechnung zu tragen wäre, jedoch nicht. Im Bereich der Metallindustrie sei nämlich eine eindeutige Zuordnung der Gruppen der Arbeiter und Angestellten zu dem Produktions- bzw. Verwaltungssektor nicht möglich. Der MTV-Metall decke in seinem fachlichen Gestaltungsbereich ein breites Spektrum an kleinen, mittleren und großen Industriebetrieben ab, so daß sich keine homogenen Gruppen der Arbeiter und Angestellten bilden ließen, die zumindest in ihrer überwiegenden Mehrzahl mit den Arbeitnehmern aus dem Produktionsbereich einerseits und aus dem Verwaltungsbereich andererseits deckungsgleich wären. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die Vielzahl der technischen Angestellten. Schon aus diesem Grund sei eine Differenzierung, die wie in § 14 Ziff. 2.1 MTV pauschal an den Arbeiter- bzw. Angestelltenstatus anknüpfe, unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Anders als im Baugewerbe, wo aufgrund saisoneller und auftragsbedingter Schwankungen im Bereich der Arbeiter eine erhebliche Fluktuation keine Seltenheit sei, sei die Metallindustrie diesen Schwankungen nicht unterworfen. Plötzlich auftretende monetäre Einflüsse sowie Absatzschwierigkeiten infolge Auseinandersetzungen in Krisengebieten des Auslands seien nicht geeignet, für die ganze Metallbranche kürzere Kündigungsfristen für Arbeiter als für Angestellte zu rechtfertigen. Hierdurch würde das unternehmerische Risiko unzulässigerweise auf die Arbeiter abgewälzt. Außerdem habe das Bundesver...