REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN JA

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachteilsausgleich. Vorteilsausgleichung. Annahmeverzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Berechnung der Nachteilsausgleichsforderung nach § 113 Abs. 2 BetrVG sind die Grundsätze über die Vorteilsausgleichung anzuwenden.

2. Es ist einerseits eine Saldierung nach Lohnabrechnungszeiträumen und andererseits eine Saldierung über die 12 Monate des Ausgleichszeitraumes vorzunehmen. Der Arbeitgeber hat einen Rückzahlungsanspruch, wenn die Endsaldierung ergibt, daß die anzurechnenden Vorteile insgesamt die Nachteile übersteigen.

 

Normenkette

BetrVG § § 113, 111, 99, 87 Abs. 1 Ziff. 10, § 87 Abs. 1 Ziff. 11; BGB § 615

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Urteil vom 19.03.1991; Aktenzeichen 2 Ca 728/90)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.04.1993; Aktenzeichen 10 AZR 38/92)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 19. März 1991 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte betreibt Schlachthöfe in Sch. und H.. Die Kläger sind bei ihr seit vielen Jahren als Schlachter im Schlachthof Sch. beschäftigt. Sie wurden bis zum 31. März 1990 sowohl im Bereich der Schweine- als auch im Bereich der Rinder- und Kälberschlachtung beschäftigt, und zwar überwiegend im Leistungslohn. Die Akkordsätze unterscheiden sich je nach Tierart.

Seit dem 01. April 1990 läßt die Beklagte in Sch. nur noch Schweine und in H. nur noch Rinder und Kälber schlachten. Das Rinderschlachtband im Schlachthof Sch. wurde demontiert.

Die Beklagte beschäftigt im Schlachthof Sch. ca. 100 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Von der Ausgliederung der Rinder- und Kälberschlachtung unmittelbar betroffen waren 19 Schlachter und ca. 10 Hilfskräfte. Mit dem Betriebsrat wurde anläßlich der Umstrukturierung nicht über einen Interessenausgleich verhandelt.

Wegen der Entwicklung der Schlachtungen in Sch. vom 01.04.1990 bis zum 31.03.1991 wird auf die Übersicht Bl. 140 d. A. Bezug genommen. Ab Juni 1990 wurden in Sch., auch Schweine geschlachtet, die aus der DDR stammten. Vom 01. Juli 1990 bis 31. Dezember 1990 wurden nach Berechnungen der Lohnbuchhaltung der Beklagten im Schlachthof Sch. pro Woche 43,12 Stunden gearbeitet.

Die Kläger behaupten, daß sie durch die Umstrukturierung Lohneinbußen erlitten haben. Sie stellen eine Differenzberechnung auf, die nur die aus H. kommenden Schweine im Verhältnis zu den nach H. gehenden Rindern berücksichtigt. Ihre monatlichen Lohneinbußen beziffern sie wie folgt:

April

1990

DM

246,60

brutto

Mai

1990

DM

218,53

brutto

Juni

1990

DM

330,11

brutto

Juli

1990

DM

8,74

brutto

August

1990

DM

197,35

brutto

September

1990

DM

255,56

brutto

Oktober

1990

DM

25,42

brutto

November

1990

DM

112,–

brutto

Dezember

1990

DM

44,01

brutto

Summe

DM

1.438,32

brutto

Die Kläger sind der Ansicht, daß die Beklagte zur Zahlung dieser Beträge verpflichtet sei. Sie stützen ihre Forderung auf § 113 BetrVG und § 615 BGB.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils DM 1.438,32 brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 06.09.1990 auf den Betrag von DM 803,98 brutto und auf weitere DM 634,34 brutto seit dem 18.02.1991 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, daß eine Betriebsänderung im Sinne der §§ 111 BetrVG nicht vorliege. Es sei außerdem verfehlt, bei der Berechnung etwaiger Lohneinbußen nur die aus H. kommenden Schweine gegen die nach H. gehenden Rinder aufzurechnen. Durch den enormen Zugang von Schweinen aus den neuen Bundesländern seien die fiktiven Nachteile mehr als ausgeglichen worden.

Durch Urteil vom 19.03.1990, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Flensburg die Klagen abgewiesen.

Gegen dieses ihnen am 04.04.1991 zugestellte Urteil haben die Kläger am 03.05.1991 Berufung eingelegt und diese am 31.05.1991 begründet.

Die Kläger stehen weiterhin auf dem Standpunkt, daß die Beklagte zum Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG verpflichtet sei. Der Lohnverlust könne nicht durch die hohe Anzahl von Schweinen aus der ehemaligen DDR ausgeglichen werden, da diese Schweineschlachtungen auch ohne die Ausgliederung der Rinder- und Kälberschlachtung angefallen wären und sie einen entsprechend höheren Lohn, gegebenenfalls durch Mehrarbeit, erzielt hätten. Auch die Voraussetzungen des § 615 BGB seien erfüllt. Die Beklagte sei infolge betrieblicher Übung verpflichtet, sie auch in der Rinder- und Kälberschlachtung einzusetzen. Der Entzug der Rinder- und Kälberschlachtung sei eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG, die mangels Zustimmung des Betriebsrats unwirksam sei. Auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 u. 11 BetrVG seien verletzt worden.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 19. März 1991 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an jeden Kläger jeweils DM 1.438,32 brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 06. September 1990 auf den Betrag von DM...

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