Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsvertrag. Schriftform. tarifkonstitutive Beendigung. Tarifvertrag. Beendigungsnorm. Auslegung. ruhendes Arbeitsverhältnis. Rechtsmissbrauch. Arbeitgeberwechsel. Anspruch auf Feststellung eines ruhenden Arbeitsverhältnisses. Verwirkung. treuwidriges Verhalten
Leitsatz (amtlich)
Schließen die Parteien bei einem auf Vermittlung der alten Arbeitgeberin zustande gekommenen Arbeitsvertrag mit einem neuen Arbeitgeber ausdrücklich keinen schriftlichen Aufhebungsvertrag, besteht der alte Arbeitsvertrag in der Regel ruhend fort.
Ein Arbeitnehmer handelt – ohne Hinzutreten weiterer Umstände – regelmäßig nicht treuwidrig, wenn er sich auch nach einem längeren Zeitraum auf das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses beruft.
Normenkette
ZPO §§ 253, 256; BGB §§ 242, 613a, 623, 125-126; TV Ratio-Telekom § 7 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Flensburg (Urteil vom 15.01.2010; Aktenzeichen 1 Ca 1212/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 15.01.2010 – 1 Ca 1212/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger war seit 1975 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Fernmeldehandwerker tätig. Er verrichtete seine Arbeit in Flensburg. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für die Beklagte geltenden Tarifverträge Anwendung. Hierzu gehört auch der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) mit seinen Anlagen.
Der Kläger ist seit 01.01.2005 bei der N. S. N. S. D. GmbH & Co. KG, ehemals VTS GmbH & Co. KG (VTS) tätig.
Im Jahr 2005 schloss der Kläger mit der VTS einen Arbeitsvertrag und hat auf diesem handschriftlich auf der letzten Seite folgendes hinzugefügt:
„Ich schließe diesen Arbeitsvertrag unter dem Vorbehalt, dass
- • es sich um ein zumutbares Angebot nach TV-Ratio der DTAG handelt,
- • meine tarifvertraglichen Ansprüche aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis mit der DTAG korrekt gewährt werden.
- • Die Regelungen aus dem Tarifvertrag Beschäftigungsbündnis bei der DTAG eingehalten werden;
- • der Arbeitsvertrag rechtsmäßig ist.”
Mit Wirkung zum 01.01.2008 ist das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf die N. S. N. S. D. GmbH & Co. KG übergegangen.
Zwischen dieser und dem dortigen Betriebsrat ist wegen einer regionalen Unterauslastung eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden.
Die Beklagte hatte dem Kläger zum 01.01.2005 ein Vertragsangebot für einen dreiseitigen Vertrag zwischen ihm, der VTS und der DT AG, V. angeboten. Dort war im § 10 folgende Regelung vorgesehen:
„Der bisherige Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zur DT AG mit Ablauf des … einvernehmlich beendet wird. Die Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses erfolgt in Anwendung der Reglungen der Anlage 8 des TV Ratio in der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages gültigen Fassung.”
Der Kläger war mit dem Abschluss dieses Vertrages nicht einverstanden und hat diesen nicht unterzeichnet. Es wurde dann in der Folge das Arbeitsverhältnis mit der VTS begründet.
Mit Schreiben vom 06.05.2005 hat die Beklagte dem Kläger folgendes mitgeteilt:
„Sehr geehrter Herr P.,
gemäß den tarifvertraglichen Bestimmungen der Anlage 8 des TV Ratio sind Sie insoweit Ihrer Verpflichtung nachgekommen, ein Arbeitsverhältnis bei der VTS GmbH & Co. KG GmbH & Co. KG (VTS) aufzunehmen. Wir bedanken uns an dieser Stelle für Ihre bisherige Tätigkeit für die DT AG, die mit Annahme des Vertragsangebotes im Geschäftsmodell zum 01.01.2005 ihr Ende gefunden hat. Für die Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute und viel Erfolg bei Ihrer neuen Tätigkeit.”
Mit seiner am 18.09.2008 erhobenen Klage erstrebt der Kläger Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fortbesteht. Er hat vorgetragen, für die Klage bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses folge bereits aus der Tatsache, dass die Beklagte das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bestreitet. Das Arbeitsverhältnis bei der N. S. N. S. D. GmbH & Co. KG sei wegen der geschilderten Unterauslastung gefährdet. Sein Anspruch sei nicht verwirkt, da das neben dem Zeitmoment erforderliche Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Er habe weder durch Wort noch Tat verlautbaren oder erkennen lassen, dass er an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht mehr festhalten wolle. Die Tarifvertragsparteien könnten weder bestehende Arbeitsverhältnisse aufheben noch suspendieren, abgesehen davon, dass eine entsprechende tarifliche Regelungen nicht bestehe.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Klage sei unzulässig. Ein Feststellungsinteresse bestehe nicht. Der Kläger verlange lediglich eine rechtsgutachtliche Klärung des Streitverhältnisses. Eine irgendwie geartete Beschäftigung bei der Beklagten sei derzeit nicht Gegenstand. Zudem seien bei ih...