Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortbestand des Entgeltfortzahlungsanspruchs bei arbeitgeberseitiger Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit. Anscheinsbeweis bei Anlasskündigung. Zahlungsanspruch der Krankenkasse gegen die gekündigte Arbeitnehmerin aus übergegangenem Recht
Leitsatz (amtlich)
Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anzeige der Arbeitsunfähigkeit und dem nachfolgenden Kündigungsausspruch bietet den Anscheinsbeweis, dass der Arbeitgeber die Kündigung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen hat. Dabei muss die Arbeitsunfähigkeit nicht der alleinige Grund für die Kündigung sein, sie muss nur Anlass zum Ausspruch der Kündigung gewesen sein.
Normenkette
SGB X § 115 Abs. 1; EFZG § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 8 Abs. 1 S. 1; ZPO § 286
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 14.08.2013; Aktenzeichen 5 Ca 609/13) |
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.08.2013 - Az.: 5 Ca 609/13 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche aus übergegangenem Recht.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Krankenkasse. Die bei ihr gegen Krankheit versicherte Frau Anja K. (künftig: Arbeitnehmerin) war bei der Beklagten vom 20.08.2012 bis zum 18.09.2012 als Arbeitnehmerin im Versand beschäftigt. Ab dem 27.08.2012 war die Arbeitnehmerin fortlaufend arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 03.09.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der vereinbarten Probezeit fristgerecht zum 18.09.2012. Die Beklagte leistete keine Entgeltfortzahlung. Am 19.04.2012 bestätigte das Steuerberaterbüro der Beklagten, als Grund für die Verweigerung der Entgeltfortzahlung "Krankheit nach Eintritt innerhalb der ersten 4 Wochen" (Bl. 15 d. A.). Für den Zeitraum vom 19.09.2012 bis 28.10.2012 zahlte die Klägerin an die bei ihr krankenversicherte Arbeitnehmerin Krankengeld in unstreitiger Höhe von € 1.452,00. Mit Schreiben vom 19.10.2012, 12.11.2012 sowie 23.01.2013 forderte die Klägerin die Beklagte - letztlich erfolglos - auf, ihr aus übergegangenem Recht das an die Arbeitnehmerin für 40 Krankheitstage gezahlte Krankengeld zu erstatten (Bl. 13, 14, 16 f. d. A.).
Mit ihrer vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin ihre Zahlungsansprüche gegenüber der Beklagten weiterverfolgt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des weiteren streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.08.2013 der Zahlungsklage in vollem Umfang stattgegeben. Der Anspruch sei gemäß § 115 Abs. 1 SGB X i. V. m. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 EFZG begründet. Die Beklagte sei verpflichtet, ihrer ehemaligen Arbeitnehmerin K. für die Zeit vom 19.09. bis 28.10.2012 Entgeltfortzahlung zu leisten, da sie aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit die Kündigung vom 03.09.2012 ausgesprochen habe. Aufgrund des engen und unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und dem Ausspruch der Kündigung sei der Anscheinsbeweis erbracht, dass die Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit erfolgte. Die Beklagte habe indessen nicht bewiesen, dass andere Gründe zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten. Sie habe sich hinsichtlich des Kündigungsgrundes lediglich pauschal und unsubstantiiert auf mangelnde Arbeitsleistung, fehlende Einsatzbereitschaft, Teamfähigkeit und Motivation der Arbeitnehmerin berufen. Es sei nicht ersichtlich, aus welchem Verhalten oder welchen Beobachtungen die Zeuginnen G. und R. zu diesen Schlussfolgerungen hätten kommen können.
Gegen das ihr am 19.08.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.09.2013 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 11.11.2013 am 11.11.2013 begründet.
Die Beklagte trägt vor,
das Arbeitsgericht habe verkannt, dass es sich hier um eine Probezeitkündigung gehandelt habe, das Arbeitsverhältnis mithin mit kurzer Frist und ohne Kündigungsgrund habe gekündigt werden können. Diese Schutzfunktion werde umgangen, wenn an die Erschütterung des Anscheinsbeweises die gleichen Voraussetzungen gestellt würden, wie an eine sozial gerechtfertigte Kündigung. Gegenstand des Erschütterungsvortrags könne nur sein, wann die Kündigungsentscheidung gefallen sei. Bereits am Ende der ersten Arbeitswoche der Arbeitnehmerin habe ihr Geschäftsführer anlässlich eines Gesprächs mit den Teamleiterinnen G. und R. beschlossen, der Arbeitnehmerin kurzfristig zu kündigen. In der nachfolgenden Woche, d. h. ab dem 27.08.2012 sei die entsprechende Kündigung gefertigt worden. Einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung der Arbeitnehmerin und der Kündigung habe es nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt...