Revision / zugelassen ja

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kurzarbeit zur Vermeidung von Entlassungen. Sozialauswahl bei Kündigung. Austauschbarkeit von Arbeitnehmern. Kündigungsgrund für Arbeiter. Abfindung nach § 113 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber ist zur Vermeidung von Entlassungen nicht gezwungen, Kurzarbeit einzuführen, weil anderenfalls unzulässigerweise in die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung eingegriffen würde, die der Arbeitgeber jedoch wegen seines Risikos für die zweckmäßige Einrichtung und Gestaltung seines Betriebes behalten muß.

2. Bei der Sozialauswahl sind nur vergleichbare Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Arbeitnehmer sind nur dann vergleichbar, wenn sie austauschbar sind, wenn sie also jeweils die Arbeit des zu kündigenden Arbeitnehmers ohne Lern- oder Einarbeitungszeit sofort übernehmen

 

Normenkette

KSchG § 1 II; BGB § 622 Abs. II S. 2 Hs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 27.09.1983; Aktenzeichen 1b Ca 1354/82)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 27.9.1983 – 1b Ca 1354/82 – abgeändert:

Die Klage wird auch im übrigen abgewiesen.

Der Kläger tragt auch die übrigen Kosten des Rechtsstreits.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für die Berufungsinstanz auf 4.200,– DM festgesetzt.

Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung und daraus abgeleiteter Zahlungsansprüche des Klägers aus §§ 9, 10 KSchG, 113 BetrVG.

Der Kläger, 40 Jahre alt, geschieden, war vom 28.10.1968 an in der Fertigung der Beklagten als Metallputzer tätig. Weil der Kläger 1978 an 53 Arbeitstagen, 1979 an 60 Arbeitstagen, 1980 an 117 Arbeitstagen und 1981 bis 20.4.1981 an 63 Arbeitstagen aus verschiedenen Krankheitsursachen der Arbeit fernblieb, kündigte die Beklagte am 23.7.1983 das Arbeitsverhältnis als Metallputzer und bot ihm zugleich die Tätigkeit als Kalfaktor an. Seine dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg gehabt; das Arbeitsgericht Elmshorn stellte durch Urteil vom 13.7.1981 – 2c Ca 1557/81 – fest, daß das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbesteht. Ein weiteres Angebot der Beklagten zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Kalfaktor lehnte der Kläger mit Schreiben vom 21.12.1981 ab. Daraufhin stellte die Beklagte ab 1.7.1982 einen Arbeitnehmer für die arbeitstäglich rd. 5-stündige Kalfaktorentätigkeit ein. Sie kündigte wegen Arbeitsmangels den Kläger mit Schreiben vom 27.7.1982 zum 31.8.1982, denn im Handelsbereich der Beklagten waren die Aufträge von Juli 1981 bis zum Juli 1982 von 1.015.000,– DM auf 601.000,– DM und im Fertigungsbereich im selben Zeitraum um 43 % von 781.000,– DM auf 441.000,– DM zurückgegangen; dementsprechend war jeder Arbeitsplatz bei der Beklagten vom Rückgang betroffen. Die Beklagte behielt als Metallputzer lediglich den gut neun Jahre bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer C., 47 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder. Freie Arbeitsplätze waren zur Zeit der Kündigung des Klägers bei der Beklagten nicht vorhanden. Vor der Kündigung des Klägers, nämlich zunächst bis zum Frühjahr 1982, hatte die Beklagte Kurzarbeit von 8 Stunden wöchentlich durchgeführt. Die Belegschaft der Beklagten verringerte sich durch Eigenkündigungen der Arbeitnehmer S., D., F. und R., durch Auslaufen von befristeten Arbeitsverträgen und durch 7 Kündigungen der Beklagten im hier maßgeblichen gewerblichen Bereich von 52 Arbeitnehmer auf 41 Arbeitnehmer. Insgesamt ging die Zahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer vom 1.8.1981 bis zum Juli 1982 von 108 auf 85 Arbeitnehmer zurück. Die 7 Kündigungen der Beklagten waren darauf zurückzuführen: 2 Arbeitnehmer wurden im Februar 1982 wegen Arbeitsmangels in der Hoffnung gekündigt, in Verbindung mit Nichtersetzung fluktuationsbedingter Abgänge die Beschäftigungslage stabilisieren zu können. Im Februar 1982 kehrte unvermutet ein Arbeitnehmer nach zweijähriger Abwesenheit in den Betrieb zurück. Die Beklagte, die sich zunächst auf den Standpunkt gestellt hatte, daß das Arbeitsverhältnis mit diesem Arbeitnehmer erloschen sei, kündigte jedoch vorsorglich auf Ende Mai 1982. Wegen dieser Kündigungen führte jener Arbeitnehmer B. zwei Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht Elmshorn (3b Ca 433/83 und 3a Ca 530/82). Als sich im Sommer 1982 die Auftragslage der Beklagten erneut verschlechterte, kündigte sie vier Arbeitnehmern, darunter dem Klagen, zum 23.7.1982 wegen Arbeitsmangels. Eine weitere Kündigung wurde von der Beklagten wegen Arbeitsmangels zum 31.8.1982 ausgesprochen. Auch jene Kündigung ist durch eine Klage angegriffen worden (Arbeitsgericht Elmshorn – 1b Ca 1354/82). Im gleichen Zeitraum verminderte sich die Belegschaft der Beklagten dadurch weiten, daß ein Arbeitnehmer verstarb, eine Arbeitnehmerin den Betrieb aus Mutterschutzgründen verließ, zwei Arbeitnehmer wegen Alkoholmißbrauchs bzw. Arbeitsbummelei fristlos entlassen worden waren, zwei Lehrverhältnisse nicht in ein Arbeitsverhältnis überführt worden sind und fün...

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