Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnfortzahlung. Entgeltfortzahlung. Arbeiter. Betonsteingewerbe. Nordwestdeutschland

 

Leitsatz (amtlich)

Die Höhe der Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei arbeitsunfähig erkrankten Arbeitern, die dem Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) in Nordwestdeutschland vom 14. September 1993 unterliegen, richtet sich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz von 1994 und nicht nach dem Lohnfortzahlungsgesetz von 1969.

 

Normenkette

RTV Betonsteingewerbe Nordwestdeutschland § 6 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Urteil vom 21.03.1997; Aktenzeichen 2c Ca 312/97)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21. März 1997 – 2c Ca 312/97 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob sich die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz oder nach dem einschlägigen Tarifvertrag richtet.

Der Kläger ist bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) in Nordwestdeutschland vom 14. September 1993 (im folgenden RTV) Anwendung.

Der Kläger erhielt für den Arbeitsunfähigkeitszeitraum 1. bis 14. Oktober 1996 80% des ausgefallenen Lohnes als Entgeltfortzahlung. Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen tarifvertraglichen Anspruch auf Entgeltfort-Zahlung im Krankheitsfall in Höhe von 100% und verlangt die Differenz zu den erhaltenen 80% in rechnerisch unstreitiger Höhe von 249,36 DM brutto.

§ 6 III RTV enthält folgende Regelung:

Arbeitsausfall infolge Krankheit

Es gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfall.

Der Kläger hat vorgetragen, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmentarifvertrages seien die Tarifvertragsparteien davon ausgegangen, daß das Gesetz über die Lohnfortzahlung weiterhin Bestand haben werde und eine Vereinbarung über die Anwendung des Gesetzes über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle lediglich deklaratorischen Wert besitze. Sofern die Tarifvertragsparteien die Absicht gehabt hätten, daß die Lohnfortzahlung einer geänderten Rechtslage angepaßt werden sollte, hätte die Möglichkeit bestanden, die Anwendung des Gesetzes über die Lohnfortzahlung „in der jeweils geltenden Fassung” zu vereinbaren. Da eine solche Vereinbarung nicht erfolgt sei, sei davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses die Lohnfortzahlung in Höhe von 100% des damaligen Lohnfortzahlungsgesetzes gewollt hätten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 249,36 DM brutto zuzüglich 4% Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 30. Dezember 1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte war der Ansicht, bei der Bestimmung in § 6 III. RTV handele es sich um eine deklaratorische Regelung, die zur unmittelbaren Anwendung der jeweils gültigen gesetzlichen Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle führe. Da § 4 EFZG im Falle der Erkrankung eine 80%-ige Lohnfortzahlung vorsehe, habe sie zutreffend und korrekt abgerechnet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies u. a. wie folgt begründet:

§ 6 III. RTV verweise auf die gesetzlichen Bestimmungen in der jeweils geltenden Fassung.

Die deklaratorische Verweisung des Rahmentarifvertrages auf die Bestimmungen des Gesetzes lasse nur den Schluß zu, daß die Tarifvertragsparteien wollten, daß das Tarifvertragsparteien wollten, daß das jeweils geltende Gesetz Anwendung finden sollte.

Die teleologische Auslegung führe zur Verneinung eines Anspruchs des Klägers auf Zahlung von 100% des Arbeitsentgelts als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle. Der normative Teil eines Tarifvertrages enthalte Rechtsnormen, die u. a. den Inhalt von Arbeitsverhältnissen regelten. Aus diesem Teil des Tarifvertrages ergäben sich insbesondere Ansprüche des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber. Ein tarifvertraglicher Anspruch könne nur dann als bestehend angesehen werden, wenn der Tarifvertrag tatsächlich die Anspruchsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs enthalte. Unklarheiten der tarifvertraglichen Regelung, die sich durch eine Auslegung nicht schließen lassen, müßten deshalb zu Lasten dessen gehen, der aus dem Tarifvertrag einen Anspruch herleitet. Da § 6 III. RTV keine Regelung enthalte, daß das Lohnfortzahlungsgesetz in der Fassung vom 14. September 1993 gelten solle und eine durch Auslegung zu schließende Lücke des Tarifvertrages nicht vorliege, könne nicht festgestellt werden, daß der Rahmentarifvertrag dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung von 100% des im normalerweise zu zahlenden Entgelts gebe.

Gegen dieses ihm am 2. April 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. April 1997 Berufung eingelegt und die Berufu...

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