Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnfortzahlung. Entgeltfortzahlung. Arbeitsunfähigkeit. MTV. Arbeiter. metallverarbeitend. Handwerk. Schleswig-Holstein
Leitsatz (amtlich)
Die Höhe der Entgeltfortzahlung für Arbeiter, die dem Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des metallverarbeitenden Handwerks in Schleswig-Holstein vom 1. Juli 1987 unterliegen, richtet sich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz von 1994 und nicht nach dem Lohnfortzahlungsgesetz von 1969.
Normenkette
MTV § 10 gewerbl. Arbeitnehmer metallverarbeitenden Handwerks in Schleswig-Holstein vom 1. Juli 1987
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 01.07.1997; Aktenzeichen 1 Ca 325a/97) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 1. Juli 1997 – 1 Ca 325a/97 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
…
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob sich die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz oder nach dem einschlägigen Tarifvertrag richtet.
Der Kläger ist bei dem Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des metallverarbeitenden Handwerks in Schleswig-Holstein vom 01.07.1987 (im folgenden MTV) Anwendung.
Der Kläger erhielt für die Arbeitsunfähigkeitszeiträume im Dezember 1996 und Februar 1997 80 % des ausgefallenen Lohnes als Entgeltfortzahlung.
Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen tarifvertraglichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 100 %.
§ 10 MTV enthält unter der Überschrift „Ermittlung des Durchschnittsverdienstes als einheitliche Abrechnungsbasis für alle Berechnungsfälle” in Ziffer 1. folgende Regelung:
Der durchschnittliche Stundenverdienst ist zugrunde zu legen für die Berechnung der
- Urlaubsentgelte (§ 9 Ziff. 2.1 MTV)
- Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (Lohnfortzahlungsgesetz)
- Arbeitsausfallvergütung (§ 6 MTV)
- Feiertagsbezahlung
nach dem Gesetz über die Feiertagsbezahlung
Einheitliche Basis für alle o.g. Fälle ist die durchschnittliche regelmäßige tägliche Arbeitszeit von
7,7 Stunden pro Urlaubstag bis zum 30.09.1991
7,6 Stunden pro Urlaubstag ab dem 01.10.1991
7,5 Stunden pro Urlaubstag ab dem 01.10.1992
7,4 Stunden pro Urlaubstag ab dem 01.10.1993.
§ 6 regelt unter der Überschrift „Arbeitsausfallvergütung” Fälle, in denen gemäß § 616 BGB dem Arbeitnehmer trotz Nichtleistung der Arbeit Entlohnung zu gewähren ist. Neben Freistellungstatbeständen in 2.1 (z. B. Vorladungen vor Gericht und Behörden) und 2.2 (z. B. Silberhochzeit, Hochzeit) ist in Ziffer 4 folgendes geregelt:
4. Verdienstausfall wird außerdem gezahlt
4.1 bei Verlassen der Arbeitsstätte wegen Krankheitsbescheinungen nach erfolgter Abmeldung beim Arbeitgeber oder unaufschiebbarem Aufsuchen des Arztes, wenn die Dauer der Abwesenheit nicht über 1 Tag hinausgeht.
4.2 bei einer Anordnung des Arztes aus medizinischen Gründen während der Arbeitszeit erforderlichen Untersuchung (z. B. Röntgendiagnostik bei Nüchternheit) oder bei einer Behandlung, die infolge bestimmter, aus der Art der Behandlung sich ergebender Stundenfristen aus medizinischen Gründen durchgeführt werden muß (z. B. Entfernung von Betäubungseinlagen durch den Zahnarzt).
Die Notwendigkeit des Arztbesuches während der Arbeitszeit im Sinne dieser Bestimmungen hat der Arbeitnehmer sich auf Verlangen des Arbeitgebers vom Arzt bescheinigen zu lassen. Etwaige Kosten für derartige Bescheinigungen werden vom Arbeitgeber bis zur Höhe von DM 5,– erstattet.
Der Kläger meint, § 10 enthalte eine Verweisung auf das Lohnfortzahlungsgesetz. Diese Verweisung halte konstitutiv und statisch den Rechtszustand zum Zeitpunkt der Verweisung fest. Die Tarifvertragsparteien hätten zu erkennen gegeben, daß sie hier eine 100 %ige Lohnfortzahlung regeln wollten. Im übrigen sei bei Eingriffen in tariflich geregelten Materien eine restriktive Wertung vorzunehmen. Demzufolge gelte für ihn, den Kläger, auch das Günstigkeitsprinzip.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 118,93 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab Rechtshängigkeit (11. Feb. 1997) zuzahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 90,53 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit (12. Mai 1997) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, nach dem MTV sei ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % nicht gegeben, so daß das Entgeltfortzahlungsgesetz mit seiner Kürzung eingreife. Der MTV sehe keine konstitutive Regelung über die Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:
Die Klage sei zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger habe lediglich Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 80 % nach § 4 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz. Er habe keinen weiteren Anspruch aus § 10 MTV, da dort keine Regelung für die Hö...