REVISION / RECHTSBESCHWERDE / REVISIONSBESCHWERDE ZUGELASSEN NEIN

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitskampf. Streik. Maßregelungsverbot. tariflich. Zulage. außertariflich. Gleichbehandlung. Diskriminierung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitgeber, der einem Teil der Arbeitnehmer, die während eines Arbeitskampfes weiterarbeiten, eine Zulage gewährt, ist nicht verpflichtet, diese Zulage auch streikenden Arbeitnehmern zu gewähren. Die Leistungspflicht entsteht auch nicht durch das sog. tarifliche Maßregelungsverbot – vereinbart für den Bereich Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie – denn überobligationsmäßige Vorteile für Dritte können begrifflich nicht Nachteile für solche Personen sein, die auf diese Leistungen keinen Anspruch haben. Im übrigen kann es keine Diskriminierung von Streikenden bedeuten, wenn ein Arbeitgeber nur einen Teil seiner arbeitenden Mitarbeiter während des Arbeitskampfes die Zulage gewährt, denn wollte er die Mitarbeiter wegen ihrer Nichtteilnahme am Streik erkennbar belohnen wollen, müßte er allen Weiterarbeitenden die Zulage gewähren. Das war aber hier nicht geschehen.

 

Normenkette

GG Art. 3, 9

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 30.11.1992; Aktenzeichen 3b Ca 1093/91.)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 30. November 1992 – 3b Ca 1093/91 – abgeändert. Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger tragen jeweils 1/79 der Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Kläger verlangen von der Beklagten Zahlung einer Zulage, die diese nichtstreikenden Arbeitnehmern ihres Betriebes während des Arbeitskampfes in der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie 1991 gewährt hat. Die Beklagte stellt in ihrem Betrieb unter anderem Wellpappe und Druckerzeugnisse her. Während des Arbeitskampfes in der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie im Jahre 1991 wurde auch der Betrieb der Beklagten vom 13. Mai bestreikt. Hieran nahmen die als gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigten Kläger teil. Bei Abschluß des Arbeitskampfes schlossen der Hauptverband der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie (HPV) und die Industriegewerkschaft M. (IGM) folgende Vereinbarung:

„Zwischen dem HPV und der IG M. wird folgendes

Maßregelungsverbot vereinbart:

  1. Jede Maßregelung von Beschäftigten aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifbewegung in Papier Verarbeitung 1991 unterbleibt oder wird rückgängig gemacht, falls sie erfolgt ist.
  2. Schadenersatzansprüche aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifbewegung entfallen.”

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Zahlung von jeweils 100,– DM.

Die Kläger waren der Ansicht, die Zahlung der jeweils 100,– DM an arbeitswillige Arbeitnehmer während des Streiks sei gemäß § 612 a BGB unzulässig und verstoße gegen das vom HPV und der IGM vereinbarte Maßregelungsverbot. Unerheblich sei, ob die Zahlung an sämtliche Streikbrecher geleistet worden sei. Da von der Beklagten die Zahlung an Einzelne eingeräumt worden sei, bedürfe es hierfür keines näheren Eingehens. Wenn die Beklagte unter Verstoß gegen das Gleichheitsgebot nicht allen Streikbrechern eine Prämie gezahlt habe, so könne dies jedenfalls nicht gegen die insoweit gemaßregelten streikbereiten Arbeitnehmer eingewendet werden. Die Beklagte habe auch nicht substantiiert Differenzierungskriterien zwischen den Arbeitswilligen, die eine Zahlung erhalten haben sollen und jenen, die außer Acht gelassen worden seien, genannt. Es werde bestritten, daß die Zahlungen der jeweils 100,– DM an Arbeitswillige deshalb erfolgt seien, weil diese Arbeitnehmer zusätzliche Erschwernisse bei der tatsächlichen Erbringung ihrer Arbeitsleistungen während des Arbeitskampfes gehabt hätten. Die Maßregelung, die durch die Zahlung der 100,– DM an arbeitswillige Arbeitnehmer erfolgt sei, könne nur dadurch rückgängig gemacht werden, daß auch die streikenden Arbeitnehmer eine entsprechende Zahlung erhalten würden, da die Rückforderung der Zahlung von den nichtstreikenden Arbeitnehmern weitgehend rechtlich, zumindest aber tatsächlich nicht in Betracht komme.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger je 100,– DM netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hatte die Ansicht vertreten, daß den Klägern keine Ansprüche auf Zahlung von jeweils 100,– DM gegen die Beklagte zustünden.

Die Beklagte hat hierzu behauptet:

Die Zahlung sei nur an Mitarbeiter erfolgt, die durch ihre Arbeit bzw. Arbeitsbereitschaft zusätzliche Erschwernisse auf sich genommen hätten. Alle Mitarbeiter, die die Zahlung bekommen hätten, seien außerhalb ihrer eigentlichen Schicht zur Arbeit gekommen und hätten somit einen außerplanmäßigen Schichtwechsel vollzogen. Über diesen außerplanmäßigen Schichtwechsel hinaus hätten diese Mitarbeiter auch noch Arbeitsbereitschaft geleistet. Sie hätten sich bereit erklärt, zu Hause abrufbereit zu sein und bei Bedarf sofort zur Arbeit zu erscheinen. Weiterhin seien diese Mitarbeiter au...

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