Entscheidungsstichwort (Thema)

Mautkontrolleur. Schichtzulage. Schichtdienst. Dienstplan. unregelmäßige Arbeitszeit. Tarifauslegung. Tarifautonomie. Schichtplan. Schichtzuschlag für Mautkontrolleure

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Mautkontrolleur leistet keine Schichtarbeit nach einem Schichtplan im Sinne des § 7 Abs. 2 TVöD. Er arbeitet vielmehr mit individuell unregelmäßigen Arbeitszeiten außerhalb von Schichten im Tarifsinne und hat deshalb keinen Anspruch auf einen Schichtzuschlag nach § 8 Abs. 6 TVöD.

2. Ein Schichtplan ist eine abstrakte, starre Festlegung der Zeiten, wann in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge nach dem Ablösungsprinzip gearbeitet wird.

3. Nur die Tätigkeit aufgrund eines feststehenden abstrakten Schichtplans ist als Schichtarbeit im Sinne des § 7 Abs. 2 S. 1 TVöD anzusehen.

4. Die Erstreckung des § 7 Abs. 2 TVöD auf die Arbeitszeiten der Mautkontrolleure mittels ergänzender Vertragsauslegung ist ein unzulässiger Eingriff in die Tarifautonomie.

 

Normenkette

TVöD § 8 Abs. 6, § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 28.05.2008; Aktenzeichen öD 5 Ca 2003 c/07)

ArbG Kiel (Urteil vom 27.05.2008; Aktenzeichen öD 5 Ca 2003 c/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 27.05.2008, Az. öD 5 Ca 2003 c/07, abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits (beide Instanzen) trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Schichtzulage nach § 8 Abs. 6 TVöD für die Zeit von Oktober 2005 bis einschließlich März 2008.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Mautkontrolleur tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes und damit seit dem 01.10.2005 der TVöD Anwendung.

Die Beklagte erledigt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung über das Bundesamt für Güterverkehr Verwaltungsaufgaben des Bundes auf dem Gebiet des Verkehrs. Hierzu gehören auch Kontrollen auf Bundesautobahnen um festzustellen, ob die Beteiligten des gewerblichen Güterkraftverkehrs die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften einhalten. Anfang 2005 wurden bekanntermaßen Mautgebühren eingeführt.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Mautkontrolleur im Außendienst beschäftigt. Seine Aufgabe ist die stichprobenartige Überprüfung, ob die zur Mauterfassung erforderlichen On-Board-Units (OBUs) der mautpflichtigen Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung ordnungsgemäß installiert und in Betrieb genommen werden, d. h., die Autobahnmaut entsprechend den gesetzlichen Regelungen entrichtet wird. Bei den mobilen Kontrollen ermittelt der Kontrolleur mittels Infrarot und Abgleich des amtlichen Kennzeichens mit den Betreiberdaten, ob das betreffende Fahrzeug für den jeweiligen Streckenabschnitt eingebucht ist. Ebenso werden Mautbrückenkontrollen durchgeführt.

Die bei der Beklagten beschäftigten Kontrolleure sind in sogenannten Kontrolleinheiten Maut (KEM) eingeteilt. Jede KEM kontrolliert ein bestimmtes Gebiet. Die KEM 1, zu der der Kläger gehört, ist für Schleswig-Holstein und Hamburg zuständig. Jede KEM besteht aus sogenannten Kontrollgruppen. Zu jeder Kotrollgruppe gehören regelmäßig zwei Kontrolleure. Für den jeweiligen Mautkontrolleur wird ein dienstlicher Wohnsitz im Gebiet seiner Dienststelle nahe eines BAB-Anschlusses bestimmt, von wo aus er in der Regel gemeinsam mit einem weiteren Mautkontrolleur mit einem zugeteilten Dienstkraftfahrzeug den dienstplanmäßig vorgesehenen Streckenabschnitt befährt. Der dienstliche Wohnsitz des Klägers ist Flensburg.

Die Dienstpläne der Kontrolleinheiten werden mit einem Vorlauf von zwei bis drei Monaten zunächst als „Soll-Pläne” erstellt. Die Kontrolleure melden bei dem zuständigen Dienstplaner Wünsche im Hinblick auf Arztbesuche, Urlaub, persönliche Belange etc. an. Vorhersehbare Abwesenheitszeiten werden somit eingeplant. Der Plan wird später bei Bedarf ggf. noch angepasst. Arbeitnehmer, die aus persönlichen oder dienstlichen Gründen wie z. B. Krankheit ihren Dienst kurzfristig nicht antreten können, werden nicht ersetzt.

Mit der Dienstplangestaltung will die Beklagte keine lückenlose Kontrolle sämtlicher mautpflichtigen Fahrzeuge erreichen. Die mautpflichtigen Gebiete werden lediglich stichprobenartig überprüft. Bei der Erstellung des Dienstplanes sind folgende Vorgaben zu beachten:

  • Keine Alleinfahrten

    • 10 – 15 % zu ungünstigen Zeiten (21.00 Uhr bis 6.00 Uhr sowie an den Wochenenden)
  • 50 % Anwesenheit an den „Brückentagen”
  • Zwei bis drei Brückenkontrollen auf Autobahnen und Bundesstraßen
  • Termine Gutachterfahrten
  • Service-/Updatefahrten zur Firma K., H. bzw. G.

Im Übrigen richtet sich die Dienstplangestaltung nach den organisatorischen Rahmenbedingungen des Mautkontrolldienstes (Bl. 176 d. A.).

Der Dienstplan des Klägers in der KEM 1 weist im Zeitraum Oktober 2005 bis März 2008 insgesamt 24 verschiedene Zeiten des Dienstbeginns auf. Diese reichen von 3.00 Uhr über 4.45 Uhr, 5.15 Uhr, 5.45 Uhr, 6.00 Uhr, 6.15 Uhr, 6.30 Uhr, 6.45 Uhr, 7.15 Uhr, 7.45...

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