Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung. Deckungsanfechtung. Vorsatzanfechtung. Nettogehälter. Buchhalterin. Zahlungsunfähigkeit. keine Lohnrückstände. Kenntnis des Anfechtungsgegners. Insiderkenntnisse. Bargeschäft. Gläubigerbenachteiligungsvorsatz. Insolvenzanfechtung betreffend Gehaltszahlungen und Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
Leitsatz (amtlich)
Soweit die angefochtenen Gehaltszahlungen der Vergütung fälliger Gehälter aus dem jeweiligen Vormonat dienten, unterlagen sie als Bargeschäft i. S. v. § 142 InsO, nicht der Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO, sondern der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO.
Ein künftiger Insolvenzschuldner handelt dann nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gemäß § 133 Abs. 1 InsO, wenn er eine kongruente Gegenleistung für die von ihm empfangene Leistung (hier Arbeitsleistung) erbringt, welche zur Fortführung seines Unternehmens nötig ist und damit den Gläubigern im Allgemeinen nützt.
Normenkette
InsO § 130 Abs. 1, § 133 Abs. 1, §§ 142-143
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 05.05.2011; Aktenzeichen 3 Ca 1995 d/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 05.05.2011 – Az.: 3 Ca 1995 d/10 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Insolvenzanfechtung. Der Kläger begehrt nach erfolgter Insolvenzanfechtung von der Beklagten die Rückzahlung noch vor Insolvenzeröffnung erhaltener Gehaltszahlungen.
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts H. vom 13.09.2007, Az.: 67 g IN 287/07, zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. S. AG (im Folgenden: Schuldnerin) bestellt (Bl. 46 f. d. A.).
Die 57-jährige Beklagte war bei der Schuldnerin seit dem 20.03.2000 als Buchhalterin in Teilzeit beschäftigt. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis in der Insolvenz zum 31.12.2007. Ausweislich des ihr vom Kläger am 27.09.2007 erteilten Zeugnisses war die Beklagte bei der Schuldnerin als „Alleinbuchhalterin” tätig und für (Bl. 48 f. d. A.)
„eigenverantwortlich zuständig:
- • Alle anfallenden Buchhaltungsarbeiten im Debitoren-, Kreditoren- und Sachkontenbereich wie Kontieren und Buchen aller Belege
- • Kontenabstimmung
- • Überprüfung der Zahlungseingänge und das Mahnwesen
- • Führung der Kasse
- • Abstimmung der Konten
- • Umsatzsteuervoranmeldungen
- • Zusammenfassende Meldung an das Bundesamt für Finanzen
- • Intrastatmeldungen
- • Zahlungsverkehr im In- und Ausland inklusive Akkreditive, sowie die Überwachung der Zahlungstermine
- • Vorbereitende Arbeiten zum Jahresabschluss und zur Erstellung der Bilanz
- • Lohn- und Gehaltsbuchhaltung, einschließlich abgeben aller Meldungen und ausstellen von Bescheinigungen
- • Lohn-/Gehaltszahlungen an die Mitarbeiter
- • Führung der Urlaubslisten
- • Überwachung der Zollanträge für den Import
- • Kalkulation der Einstandspreise
Zudem hat Frau E. die bei Abwesenheit der Geschäftsleitung ihr vertrauensvoll übertragenen Aufgaben der Geschäftsleitung stets zu unserer vollsten Zufriedenheit ausgeübt. …”
Von Mai 2006 bis zum 31.12.2006 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Sie erarbeitete für die Gemeinschuldnerin die Arbeitsbilanz vom 30.04.2007, die bei einem gezeichneten Kapital von EUR 256.000,00 einen Verlust von EUR 631.000,00 ausweist (Bl. 50 ff. d. A.). Die Schuldnerin beauftragte die Fa. E. S. M. Unternehmensberatung GmbH mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts. Diese führte die Arbeiten im Zeitraum vom 11.06. bis 29.06.2007 durch. In dem Sanierungskonzept vom 03.07.2007 (auszugsweise, Bl. 58 ff. d. A.) heißt es u.a. zusammenfassend (Bl. 59 d. A.):
„Die Erreichung der Ergebnisziele ist maßgeblich abhängig von der kurzfristigen Realisierung der gesetzten hohen Umsatzziele, insbesondere bei Swan-Artikeln.
Das bilanzielle Eigenkapital der Gesellschaft ist per 31.01.2007 negativ; durch Rangrücktritte auf Gesellschafterdarlehen fällt das wirtschaftliche Eigenkapital jedoch positiv aus. Per 30.04.2007 ist das wirtschaftliche Eigenkapital nur noch ausgeglichen. Zur Stärkung des Eigenkapitals soll die Beteiligung eines dänischen Lieferanten am Unternehmen, u.a. durch Verzicht auf dessen Lieferantenverbindlichkeiten, eingeworben werden.
Die Liquiditätssituation ist äußerst angespannt, die aktuellen Kontokorrentlinien sind im Betrachtungszeitraum nicht ausreichend. In der Spitze wird im zweiten Halbjahr 2007 zusätzliche Liquidität von ca. TEUR 200 benötigt. Die zusätzlichen Mittel dienen der Rückführung von Altverbindlichkeiten”
Bereits seit Beginn des Jahres 2007 hatte die Schuldnerin fällige Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe mehr als EUR 63.000,00 nicht mehr bedient (vgl. Tabelle nach § 175 InsO, Bl. 4 ff. d. A.). Insgesamt bestanden fällige Verbindlichkeiten von mehr als EUR 240.000,00, die über einen Zeitraum von mehr als drei Wochen von der Schuldnerin nicht bedient wurden. Die Löhne und Gehälter bis einschl...